Die Gegend ist jetzt ärmer
Ab heute, 31. August, bleibt unser Betrieb nach 88 Jahren für immer geschlossen.
Die Autorin ist betrübt. Eben wollte sie mit einem Leberkässemmerl aus ihrer liebsten Fleischhauerei am Brunnenmarkt die Saison wiedereröffnen und sich auf den Herbst einstimmen. Man hat in der Lokanta Oase eine Linsensuppe gegessen, drüben im Wetter mit der Wirtin einen Espresso getrunken und wollte nun die üblichen unverbindlichen, aber freundlichen paar Worte mit der Frau Sterkl plaudern, übers Wetter und so, während sich an der Theke freundliche Herren ihr Mittagsglaserl Wein gönnen.
Aber: nein. Die Türe ist versperrt, das Rollo heruntergelassen, in den Fenstern, in denen sonst Geselchtes lag, hängt ein kopierter Zettel: „Ein herzliches Danke an alle unsere Kunden für die langjährige Treue, die sie uns in den vielen Jahren erwiesen habe. Ab heute, 31. August, bleibt unser Betrieb nach 88 Jahren für immer geschlossen. Familie Sterkl.“
Ein Schock. So traurig: Die Fleischhauerei Sterkl gibt es nicht mehr. Hat zugesperrt. Fast niemand scheint davon etwas gewusst zu haben; auch nicht der freundliche Käsestandler direkt davor. Ein Bekannter hatte sich noch letzte Woche bei der Sterkl nach Schweinsnetzen erkundigt und die Auskunft erhalten: sind gerade aus, nächste Woche wieder. Und jetzt: keine nächste Woche mehr. Kein Fleisch mehr, keine preisgekrönten Frankfurter. Kein Leberkässemmerl. Und keine großartigen Schmankerln mehr, die die Frau Sterkl an den Nachmittagen, an denen die Fleischhauerei geschlossen war, selbst zubereitet hatte: Semmelknödeln, Milzschnitten, zweierlei Liptauer, Kren-Aufstrich, Sauerkraut mit Speck, faschierte Laberln, Leberknödeln, Frittaten und die Suppe dazu: Fertignahrung, allerbeste.
Vorbei. Die Gründe kenne ich nicht; aber sie werden vermutlich auch damit zu tun haben, dass die Leute ihr Fleisch lieber bequem in einem Supermarkt mit Parkplatz kaufen. So oder so: Die Fleischhauerei Sterkl war eine Institution. Der Brunnenmarkt, das Grätzl, die ganze Gegend ist ärmer ohne sie.
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