Das Leben, wenn man fünf Jahre alt ist
Wie das Kind in Aleppo sollten Fünfjährige nicht leben müssen, nirgends.
Kürzlich habe ich einen Abend mit ein paar Fünfjährigen verbracht, draußen am Land. Einer von ihnen hatte Geburtstag. In der Küche seiner Eltern hing schon in der Früh eine bunte Happy-Birthday-Girlande, es gab eine Torte mit fünf Kerzen und hübsch verpackte Geschenke. Eltern, Geschwister und Freunde drückten das Geburtstagskind: Wie schön, dass es dich gibt, Kleiner.
Am Abend brannte Lagerfeuer an einem Bach, Würstel wurden gegrillt, und als es dunkel war, wurden – Aaaabstand, Kinder!! – ein paar billige Minipfeifraketen in die Luft gejagt. Die Fünfjährigen kreischten begeistert – noch eine! – und fuchtelten dann glücklich mit glühenden Stöcken in der warmen dunklen Luft herum. Passt auf, Kinder! Nicht so nah ans Feuer! Nicht so wild! Das ist gefährlich!
Ja, war es. Es war, bis auf den Straßenverkehr, vielleicht das Gefährlichste, was diese Fünfjährigen je erlebt hatten. Und genau so soll das Leben sein, wenn man fünf Jahre alt ist: Unbeschwert und lustig und völlig sicher, weil es Erwachsene gibt, die einen lieben und für guten Spaß sorgen, die hinter einem stehen und gut auf einen aufpassen, wenn es ein bisschen riskant wird. Die einen trösten und küssen, wenn man sich wehgetan hat, und das Aua wegpusten.
Ein kleines Mädchen sollte nicht auf die Frage eines Polizisten, wie es denn heiße, antworten: Idiot. Wie jene Vierjährige in Arkansas, USA, die tatsächlich glaubte, ihr Name sei Idiot, weil sie zu Hause nie anders genannt wurde. Und misshandelt und geschlagen und mit Kabelbindern ans Bett gebunden, weil sie in der Wohnung herumgeklettert war, wie es kleine Kinder nun einmal tun und tun müssen.
Ein fünfjähriges Kind sollte nicht blutüberströmt, völlig geschockt und ganz allein auf einem Sessel in einem Rettungswagen sitzen, wo es ein Retter abgesetzt hat, nachdem es aus einem vom Krieg zerstörten Haus in Aleppo gerettet wurde: das Bild von diesem Kind, dieses Gesicht des Krieges, vergisst man nicht mehr. So sollten Fünfjährige nicht leben müssen, nirgends.
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