Das Leben ist ein Risiko

Gefahren lauern überall. Trotzdem: Der Spaß darf nicht zu kurz kommen.
Doris Knecht

Doris Knecht

Der Wind im Haar war beim Fahren doch fast schon die Hälfte vom Spaß, oder?

von Doris Knecht

über den Risikominimierungszwang

Eine kleine Meldung gestern im KURIER: die britische Gynäkologen-Vereinigung empfiehlt Schwangeren auf Duschgels zu verzichten, keine Lebensmittel aus Dosen, Plastikverpackungen oder beschichteten Pfannen zu essen, nicht in neue Autos zu steigen und keine neuen Möbel zu kaufen. Zusammen mit den bisher für Schwangere üblichen Empfehlungen – keine Rohmilchprodukte, kein roher Fisch, kein Nikotin, kein Alkohol – läuft es im Prinzip darauf hinaus, dass werdende Mütter ihre Schwangerschaft bei Wasser und Brot im Bett verbringen sollen, um ihr Ungeborenes nicht zu gefährden.

Der Risikominimierungszwang nimmt allmählich wahnhafte Züge an, mit einer bedenklichen Nebenwirkung: Man riskiert, zugunsten von mehr Sicherheit das Leben zu verpassen. In diesem Kontext komme ich noch einmal auf die Fahrradhelm-Sache zurück. Während mehrere Leser anmerkten, nur Geistesgestörte würden ohne Helm Rad fahren und wer was im Kopf habe, schütze ihn, schrieb Leserin Slava J.: „Was wird aus dem Radfahren, wenn wir uns alle nur mit der unstylischen, uniformen, frisurkaputtmachenden Kampfausrüstung aus dem Haus wagen? Der Wind im Haar war beim Fahren doch fast schon die Hälfte vom Spaß, oder?“

Nun ist es erwiesen, dass das Kopfverletzungsrisiko bei einem Unfall erheblich ist: Laut der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie würden durch das Tragen eines Helmes 88 % aller Schädelhirnverletzungen bei verunglückten Radfahrern vermieden werden. Aber: Wenn man seit 25 Jahren sommers wie winters mit dem Rad fährt und in dieser Zeit zwei Mal – ein Mal auf einer Ölspur, ein Mal in einer Tram-Schiene – während der Fahrt stürzte: Ist so gerechnet das Sturzrisiko nicht eigentlich minimal? Und es wäre nicht nur sicherer, einen Helm zu tragen, es wäre noch viel sicherer, gar nicht Rad zu fahren. Und am sichersten wäre es, das Haus überhaupt nicht zu verlassen. Kompliziert und gefährlich, dieses Leben.

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