Brauchen wir nicht, den Brauch

Doris Knecht
Der Plan, den Muttertag diesmal endlich einmal auszulassen, wird auch heuer von den Kindern vermasselt werden...
Doris Knecht

Doris Knecht

Der Plan, den Muttertag diesmal endlich einmal auszulassen, wird auch heuer von den Kindern vermasselt werden. Und von der Mutter selbst, deren Rührung über ihre süße Brut und deren wochenlang gebastelten und immer wieder hastig versteckten Geschenke auch diesmal wieder nicht gespielt sein wird. Ach, wie nett. Gar nicht nötig, aber doch wirklich, wirklich nett.

Denn selbstverständlich ist der Muttertag eine fragwürdige Einrichtung, dessen sture Beibehaltung weniger maternaler Rührung denn wirtschaftlichen Gründen zu verdanken ist. Aber er bringt einen doch auch dazu, sich wieder bewusst zu werden, was, neben ihrer faszinierenden Einzigartigkeit, das Tollste daran ist, Kinder zu haben: Dass sie einen vollkommen bedingungslos und reinen Herzens lieben.

Naja, eine Zeit lang zumindest, ein paar kostbare, wundervolle Jahre lang. Aber das ist tatsächlich reines Glück. Auch wenn man dieses Glück natürlich nicht umsonst bekommt, sondern für den Preis schlafloser Nächte, ständiger Überforderung, zäher Konflikte und, was man sich, solange man keine Kinder hat, meistens nicht bewusst ist: permanenter Angst.

Die eigene Mutter lässt den Muttertag längst aus. Sie will nicht einmal angerufen werden: Doch, will sie, an vielen anderen Tagen im Jahr, aber an diesem nicht. Ihr ist es viel lieber, wenn ihre Kinder sie freiwillig und gerne anrufen, besuchen und beschenken, und nicht, weil es ein fragwürdiger Brauch so erzwingt. Meine Mutter braucht diesen Brauch nicht: Unter anderem, weil all ihre Kinder sie auch nach all den Jahren und Konflikten vollkommen bedingungslos und reinen Herzens lieben, so wie sie jedes ihrer Kinder und wir die unseren. Ein Glück ist das, ein reines.

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