Ausbruch aus dem Beige

Doris Knecht

Doris Knecht

Meistens wird das als Stellvertreter-Phänomen erklärt

von Doris Knecht

über Ekel-Rituale im TV

Einerseits Beginne die Ballsaison, andererseits Dschungelcamp. Wobei es im erweiterten Freundeskreis eine durchaus stärkere Affinität zu letzterem hin gibt.

Überraschend viele Bekannte verbringen jedenfalls ihre Abende derzeit vor dem Ekel-TV und füttern ihre sozialen Medien mit Kommentaren zur -Dschungel-Show. Okay, das ist lustig, und es wäre gelogen wenn man behauptete, man hätte nicht selber schon einen Blick in das nun vereinte Camp geworfen.

Aus rein professionellen Gründen natürlich, man muss ja auf dem Laufenden sein, was die Leute so interessiert, und man hat dann auch sofort wieder weitergezappt. Also fast sofort. Zumindest dann irgendwann.

Nun wurden schon zahlreiche wissenschaftliche Expertisen erstellt, warum dezente, zurückhaltende Menschen mit ausgezeichneten Manieren anderen, bei denen diese Eigenschaften weniger ausgeprägt angelegt sind (oder auch: die dringende Gerstl und/oder Prominenz brauchen) so gern bei ihrem Ekel-Ritualen zusehen. Und bei Demütigungs- und Erniedrigungsexzessen, bei denen im normalen Leben sofort nach der Polizei gerufen würde.

Meistens wird das als Stellvertreter-Phänomen erklärt: Man lässt quasi andere repräsentativ für sich leiden oder Dinge tun , die man selbst nie tun würde (oder vielleicht, hmm...) und auf diese Weise mit einem Fern-Ekel versorgt wird, der die Seele reinigt. Oder so ähnlich.

Jemand anderer sein

Bei Bällen das Gegenteil: Da geht man hin, um einmal wer anderer zu sein, wer Feinerer, wer Prachtvollerer und Aufregender, wer nicht so alltäglicher. Und natürlich um Spaß zu haben, Leute zu treffen und Walzer zu tanzen.

Was die Formate eint: Sie zelebrieren beide, wenn auch in entgegengesetzte Richtungen, die lustvolle Flucht aus dem Alltag mit seinen immer gleichen, beigen Ritualen. Wecker, aufstehen, (Kinder wecken), Frühstücken, Arbeiten, Kochen, Feierabend, gute Nacht.

So oder so ähnlich ist das Leben eben. Aber nicht im Camp. Und nicht am Ball.

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