Alles real in Wahlkartanien

Doris Knecht

Doris Knecht

Immer, wenn man glaubt, es ginge nicht mehr tiefer, geht irgendwo in Österreich die Klebenaht einer Wahlkarte auf.

von Doris Knecht

über "Wahlkartanien"

Immer, wenn man glaubt, es ginge jetzt wirklich nicht mehr tiefer, geht irgendwo in Österreich die Klebenaht einer Wahlkarte auf. Unzählige solcher offenen Nähte werden in den sozialen Medien derzeit hergezeigt, jede natürlich ein Einzelfall. Diese Wahl kann man vermutlich vergessen: Die Rufe nach Verschiebung werden lauter; wird sie nicht verschoben, wird sie wohl angefochten, weil schon jetzt so viel abgegebene Stimmen nicht zählen. Und weil kein Wahlkarten-Wähler sicher sein kann, dass sein Kuvert, auch wenn es intakt in den Briefkasten gesteckt wird, ebenso bei der Wahlbehörde ankommt.

Es schaut so aus, als würde die Bundespräsidentenwahl 2016 als eine der längsten Wahlen in die Geschichte eingehen: Wahl, Stichwahl, Wiederholung, Verschiebung oder Wiederholung der Wiederholung: vier Mal Wahlkampf für die Kandidaten und für die Wählerinnen. Bananenrepublik, Operettenrepublik, Chaotien: Österreich gibt sich diese Tage alle Mühe, dem Image einer schlampigen, verschlurften Kasperl-Nation gerecht zu werden. Wir sind Schildbürgermeister in Wahlkartanien. Man fasst es wahrlich kaum mehr. Und die Frage: Wie ist das möglich? hallt durchs Land.

Natürlich: Nobody is perfect, jeder macht Fehler. Trotzdem: Wie kann eine Druckerei einen derart wichtigen, vielleicht den aktuell wichtigsten Auftrag so sagenhaft versemmeln? Kennen Sie diese You-had-one-Job-Fotos im Internet? Österreich hat dieser Sammlung ein paar Bilder – täglich ein paar mehr – hinzuzufügen: You had one Job, Wahlkarten-Druckerei, nämlich Wahlkarten herzustellen, mit den dafür notwendigen und geeigneten Mitteln. Hat nicht funktioniert.

Jemand schrieb auf Facebook, das sei ein Bundespräsidentschaftswahlkampf wie ein Cohen-Brothers-Film. Stimmt, ständig geht noch etwas schief, und am Ende ist man meistens wieder am Anfang. Es ist nur weniger lustig. Und man kann nicht aus dem Kino flüchten, wenn es einem zu heftig wird: Das ist Realität, alles; so bauen wir die Zukunft Österreichs.

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