All die Jahre, all die Toten

Doris Knecht

Doris Knecht

Die kenternden Flüchtlingsschiffe sind ein Fanal für das Versagen der Flüchtlingspolitik der EU

von Doris Knecht

über die Tragödien im Mittelmeer

Wieder einer dieser Tage, die einem keine Wahl lassen. Die Kolumnen zum verpatzten Frühling, zu ULP, zu langsamen Bims unmöglich machen. Mehr als 900 Flüchtlinge sind vor Lampedusa ertrunken, Männer, Frauen und Kinder. Und während diese Kolumne entsteht, kommt gerade die Meldung herein, dass ein weiteres Flüchtlingsschiff mit 300 Menschen an Bord in Seenot sei.

Die kenternden Flüchtlingsschiffe sind ein Fanal für das Versagen der Flüchtlingspolitik der EU, einer Staaten-Gemeinschaft, die vor allem dann zusammensteht, wenn es etwas zu gewinnen und zu regulieren gibt, die aber jedes Mal, wenn Flüchtlinge vor Italiens Küsten ertrinken, nicht viel mehr als vorübergehenden Schock zusammenbringt. Weder gelingt es der EU und ihren Verbündeten, in den Ländern, aus denen diese Menschen flüchten, etwas zu bewirken, noch ist sie in der Lage, ihre Leben zu retten. Seit Jahren treiben Flüchtlinge vor den Küsten dem Ertrinken zu, seit Jahren sind das geduldete Tode, die weitere Flüchtlinge abhalten sollen, ihre Länder zu verlassen: Als sei nicht längst klar, dass die meisten ihre Heimat deshalb verlassen, weil sie dort Dinge erlebt und erlitten haben, die weiterzuerleiden für sie noch schrecklicher ist, als die Möglichkeit, bei der Flucht ums Leben zu kommen.

Die EU muss endlich gemeinsam handeln. Alle Mitgliedstaaten müssen sich verantwortlichen fühlen, auch Österreich. Es muss ein Konsens über die Verteilung der Flüchtlinge gefunden werden, es muss konkret über bessere, sozial verträgliche Formen ihrer Unterbringung nachgedacht werden. Die Seenotrettungsoperation " Mare Nostrum" muss wieder aufgenommen werden und in den Flucht-Ländern müssen die Menschen davon abgehalten werden, auf seeuntüchtige Boote zu steigen. Natürlich ist richtig, was der deutsche Innenminister sagt: Es gibt keine einfachen Antworten. Aber dass, wie der Spiegel gestern schrieb, nach all den Jahren, all den Toten "die Pläne dafür, Überfahrten zu verhindern, noch ganz am Anfang" stünden: traurig.

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