"Ich bin ja völlig unpolitisch ..."

Dieter Chmelar

Dieter Chmelar

Zwei sprachliche Missbrauchsfälle sind – wieder einmal – zu melden.

von Dieter Chmelar

über Wahlen

Zwei sprachliche Missbrauchsfälle sind – wieder einmal – zu melden. Freilich ohne leiseste Aussicht auf künftige Unterlassung, sei es in den Zentralorganen medialer Dauererektion ("Priapismus-Publizistik") oder in der bereits alltäglichen idiomatischen Folklore.

Erstens: Ausnahmezustand.

Und zweitens: Wahlgeheimnis.

Der Reihe nach: Was für eine ärgerliche Unsitte ist es, den Begriff für den die Existenz eines Staates akut bedrohlichen Zustand mit dem kollektiven Massenjubel über einen – noch so bedeutenden – Fußballsieg gleichzusetzen! Wer echte Ausnahmezustände "erleben" will, dem seien Syrien, die Ukraine oder das Hochwasser am Balkan empfohlen – nur zur besseren Unterscheidung von Real und Realität.

Man hat jedenfalls die Wahl und es ist auch kein Geheimnis, das (jeweils) angemessene Wort zu finden. Apropos!

Wieso berufen sich Menschen, die (zu ihrem guten Recht) keine Auskunft über ihr politisches Wahlverhalten geben wollen, beharrlich aufs Wahlgeheimnis?

Dieses besagt nämlich nicht, das geplante Kreuzerl verschweigen zu müssen, sondern nur, während dieser Verrichtung unbeeinflusst und unbeobachtet zu sein. Davor & danach gilt der Satz des Kabarettisten Dieter Nuhr: "In einer Demokratie darf jeder alles sagen, muss aber nicht."

Viele aus dem wachsenden Heer der Nichtwähler argumentieren gern mit der Phrase: "Ich bin ja völlig unpolitisch." Diese Absage ist aber eine zutiefst politische Ansage. Leider kein Ausnahme-Zustand.

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