Süße Rache

Im Bild: Jetset-Matte
Offenbar hat das jahrzehntelang zum Schweigen und Zuschauen verdammte Fernsehpublikum viel nachzuholen. Jetzt darf dank Twitter jeder zu allem seine Meinung äußern.

Fernsehmacher sprechen gerne vom "elektronischen Lagerfeuer", wenn sie ausdrücken wollen, das junge und alte Menschen nichts Besseres zu tun haben, als gemeinsam vor der Glotze zu sitzen. Es wäre interessant zu wissen, wie sie dieses Sternderlhimmel und Bratwürstel-Romantik evozierende Bild auf den neuen Trend Social TV ( Menschen tauschen sich im Internet über das gerade laufende Fernsehprogramm aus ) umlegen wollen. Jeder sitzt in einem Hochstand am Rande der Lichtung, auf der das Lagerfeuer brennt, und winkt den anderen zu?

Das virtuelle Geplapper nimmt sich selbst jedenfalls oft wichtiger als das eigentliche Programm. Bei uns zu Lande dienen Sendungen wie der "Club 2" einer Clique von Meinungsmachern, die sich selbst liebevoll und demütig als "Twitteria" bezeichnet, zur Ego-Stimulanz.

In den USA schlug das TV-Duell zwischen Barack Obama und Mitt Romney dahingehend alle Rekorde. Innerhalb von 90 Minuten wurden auf Twitter dazu 10,3 Millionen Beiträge veröffentlicht. "Was haben die Leute ohne Twitter gemacht?" fragt ein US-Twitterer. "Sind sie auf der Couch gesessen und haben geweint?" Offenbar hat das jahrzehntelang zum Schweigen und Zuschauen verdammte Fernsehpublikum viel nachzuholen. Jetzt darf jeder zu allem seine Meinung äußern. Es ist die süße, die oft unerträgliche, die geschwätzige Rache an den G’scheiten im Fernsehen.

anna.gasteiger@kurier.at

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