Die Königin von nebenan

Warum Tina für mich die kompletteste Skifahrerin überhaupt ist und wieso ich ihr an die Wäsche will.

von Hubertus Hohenlohe

über Tina Maze

Schön, erfolgreich, launisch, schwierig, unberechenbar, artistisch und konsequent. All das sagt man der unumstrittenen Königin dieser Weltmeisterschaft nach. Tina Maze.

Aber was fährt sie jetzt eigentlich am besten? Ist sie Abfahrerin? Oder doch vielleicht eine Slalomläuferin, oder nicht vielmehr Riesentorlauf-Spezialistin? Für mich wird Tina jedenfalls in die Geschichte eingehen als die kompletteste Skiläuferin, die es je gab – und ich könnte auch am Ende ihrer Karriere nicht sagen, in welcher Disziplin sie tatsächlich jetzt die meisten Medaillen gewonnen hat.

One-Woman-Team

Tina hat nur ein großes Pech – sie kommt aus einem kleinen Land, das aktuell keine rosigen wirtschaftlichen Zeiten durchmacht. Und so ist das, was sie im Verhältnis zu einem Mädchen verdient, das aus einer Ski-Großmacht wie Österreich kommt, sicherlich bescheidener. Noch dazu finanziert sie ja ihr eigenes Team, das von ihrem Lebensgefährten Andrea Massi perfekt und intensiv organisiert wird. Das heißt, einen Teil des Kuchens frisst schon die eigene Organisation auf. Da sie jetzt am Zenit ihrer Karriere so erfolgreich ist, wird ihre Doboschtorte sicherlich groß und üppig genug ausfallen.

Spaghetti-Western

Mir gegenüber ist Tina meistens sehr freundlich und nett – aber ich bin ja auch ein Prinz! Manchmal, wenn sie sich im Tunnel ihrer Gedanken versteckt, kann es passieren, dass man ignoriert wird. Sie schaut einen zwar direkt an, sieht einen aber einfach nicht.

Die Königin von nebenan
Tina Maze

Ihr Lebenspartner und langjähriger Trainer Andrea Massi hatte so ein intensives Sportler-Lehrer-Verhältnis mit ihr, dass sie heuer beschlossen, der menschlichen Beziehung zuliebe offiziell andere Trainer an die Front zu schicken.

So ist jetzt der erfahrene Valerio Ghirardi ihr Coach, er schaut aus, als ob er in einem Spaghetti-Western von Clint Eastwood zu oft den bösen Buben spielen durfte. Als ich heuer am Kreuzbergpass mit ihr Slalom trainieren durfte, war mir klar, dass Massi inoffiziell immer noch das Sagen hat. Und das ist gut so, wie man an den Erfolgen sieht.

Energieverlust

Eines fällt mir bei Tina immer auf: Wenn sie gewinnt, hat sie oft kaum mehr Energien, um einen Freudentaumel im Ziel aufzuführen. Ich bin mir dann nie ganz sicher, ob es vielleicht daran liegt, dass sie sich eigentlich gar nichts anderes erwartet hatte. Oder aber dass sie nach so viel Training, so viel Aufwand und so viel Konzentration im Moment des Sieges keine Energie mehr in ihren Zellen findet, um ausgiebig zu feiern. Wenn sie dann doch ihr Rad schlägt, sieht es mehr nach einem Versuch aus, ihre Marke am Leben zu erhalten, aber nicht nach innigstem Freudentaumel.

Anzüglichkeiten

Skifahrerisch kann man bei Tina wirklich nicht mehr viel verbessern, doch als kleine Fashionista ist der Rennanzug doch sehr verbesserungswürdig und die Schwachstelle in ihrem Auftritt (siehe Seite 13). Ich biete mich auf diesem Wege an.

Liebe Tina, lass mich deshalb doch bitte deinen neuen Rennanzug designen. Das wäre meine größte Chance, wenigstens auf Umwegen das Gefühl zu haben, mit diesen vielen Medaillen ein bisschen etwas zu tun zu haben.

Dein Hubertus.

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