Taktgefühl
Die Zuhörerinnen und Zuhörer haben das Schunkeln verlernt.
„Der Schlager ist wieder da“ titeln die Zeitungen.
Das stimmt nicht. Der Schlager war nie weg, man hat sich zwischen seiner Hochblüte und seiner Renaissance nur wesentlich mehr dafür geniert.
Heute werden dem Schlager ganze Landstriche zu Füßen gelegt, von der Wachau bis zum Wörthersee regieren die Liebe, die Sonne, die Freundschaft und das Seebärentum.
Das Einzige, was einem immer schwerer gemacht wird, ist die Unterscheidung, ob es jetzt Alpenrock, Schlager oder Schnulze ist. Das Problem: Die Akteure wissen es selbst nicht so genau und schwimmen von Genre zu Genre.
Plötzlich ertönen Rock-’n’-Roll-Klänge zum Alpenglühen, der Jungbauer verlässt die Stadtpflanze und verliebt sich in die Natur und beim Almabtriebsong wird dann auch noch auf das Synthesizerglockengebimmel vergessen.
Wie soll man sich da noch auskennen? Seinerzeit war Freddy Quinn für die Hafenkneipen zuständig, Christian Anders für die ÖBB, Drafi Deutscher bediente die Steinmetzinnung und Rex Gildo war für den mexikanischen Fremdenverkehrsverband zuständig.
Heute rittern Frau Fischer, Herr Gabalier und Tony Christie – dem ich so inständig wünschen würde, dass er endlich in Amarillo ankommt – um die Gunst der schlageraffinen Fans.
Wie schön, dass die Jungen die Fahnen hochhalten. Einziger Wermutstropfen: Die Zuhörerinnen und Zuhörer haben das Schunkeln verlernt, aber das Leben ist kein Wunschkonzert.
Wirklich?
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