Sieg & Niederlage

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Der zweitwichtigste Erfolg ist der Sieg, der größte Triumph liegt aber in der Kraft, ihn auch uneingeschränkt genießen zu können.

von Karl Hohenlohe

über Anna Fenninger

Als sich die schöne Frau Fenninger endgültig ihrer großen Kristallkugel bewusst war, schrie sie keineswegs vor Glück.

Dies ist ein seltenes Phänomen.

Gewöhnlich jubilieren Siegerinnen und Sieger, Fußballer fallen einander gewöhnlich in die Arme oder sie küssen den Boden und Tennisspieler holen noch ein letztes Mal zum großen Schlag aus und befördern einen haushohen Ball ins glückliche Publikum.

Es ist wahrscheinlich ein schwieriges Stück Leben, wenn man mit aller Kraft ein Ziel anpeilt, dann erreicht man es und glaubt plötzlich, keine höhere Aufgabe zu haben.

Vielleicht ist es dem Architekten der Cheops-Pyramide, dem Herrn nach dem siebenten Tag und Discjockey Ötzi nach "Anton aus Tirol" ähnlich ergangen.

Überall wurde Frau Fenninger herumgereicht, ausgiebig hat man sie befragt, begafft und bestaunt.

Man musste nicht einmal näher hinsehen, da schwang immer etwas ganz klein wenig Trauriges mit, ein zarter Schatten in all dem Licht, ein Hauch von Stille inmitten des jubelnden Lärms.

Dann noch der Auftritt vor dem Wiener Rathaus, der die Bevölkerung in rasende Verzückung versetzte. Auch hier schien Frau Fenninger ein wenig absent und die Reporterschaft sprach anschließend davon, dass sich der ungeheure Trubel aller Wahrscheinlichkeit auf ihre Magennerven geschlagen hatte.

Der zweitwichtigste Erfolg ist der Sieg, der größte Triumph liegt aber in der Kraft, ihn auch uneingeschränkt genießen zu können.

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