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Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Ich bin nicht sicher, ob der Müllmann wusste, wen er vor sich hatte, aber er schien sehr glücklich.

von Karl Hohenlohe

über eine interessante Begegnung

Da hielt das orangefarbene Auto mit der Aufschrift „MA 48“ just vor dem Verlagshaus in der Wickenburggasse 26.Die Wickenburggasse ist ja in vielerlei Hinsicht hochinteressant. So kenne ich Angehörige der Familie Habsburg, die in der Wickenburggasse wohnen, hingegen logieren Vertreter der Familie Wickenburg in der Habsburgergasse.Aber die Wickenburggasse kann noch mehr, sie beherbergt auch noch den Brandstätter-Verlag, der dieser Tage sein 30-jähriges Bestehen beging. Davon wusste der Müllwagen nichts oder besser gesagt sein Chauffeur, der haargenau vor dem Verlagshaus zu stehen kam.Bei anderen, weniger sattelfesten Verlagen, hätte man in so einem Moment umgehend die Symbolik bemüht.Ein Mistwagen vor dem Entree, eh klar, das Fahrzeug hat die Vorsehung gesandt, Mistwagen, Mistbücher – wie wir Wiener halt sind. Im gegenständlichen Fall jedoch wurde man der Schadenfreude beraubt, bei Brandstätter sind die Autoren, so sie Muße, und was weit wichtiger ist, Zeit haben, allerbestens aufgehoben.Von alledem wusste der orangefarben gekleidete Gemeindebedienstete nichts. Und doch strahlte ein Glanz der Feierlichkeiten auf ihn nieder.Ganz plötzlich stand dem Müllmann der höchste Mann im Staate gegenüber, mit einer kurzen, eleganten Bewegung wischte sich der „MA 48“-Vertreter die Hand an der Hose sauber, dann schüttelte er jene von Heinz Fischer.Ich bin nicht sicher, ob der Müllmann wusste, wen er vor sich hatte, aber er schien sehr glücklich.

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