Schüssel-Trieb

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Die Menschen tendieren dazu, das Gute zu vergessen, die Fehlentscheidungen aber im Gedächtnis zu bewahren.

von Karl Hohenlohe

über Wolfgang Schüssel

Nun feiert der Exkanzler Schüssel Geburtstag – den Siebzigsten. Als ich noch tagtäglich für den ORF wirkte, sah ich ihn oft.

Ich weiß nicht warum, aber ich hatte ihn niemals vor dem Mikrofon, ich habe niemals das Wort an ihn gerichtet. Umgekehrt schon, aber dazu später.

W. Schüssel hatte viele Freunde und viele Feinde, das ist bei den Politikern so. Das Traurige ist nur, wenn sie aus dem Amt scheiden, bleiben die vielen Feinde, während sich die Freunde in alle Himmelsrichtungen zerstreuen.

Die Menschen tendieren dazu, das Gute zu vergessen, die Fehlentscheidungen aber im Gedächtnis zu bewahren. Ein Schiedsrichter, der Jahrzehnte lang eine tadellose Leistung erbringt und dann einmal krass daneben haut, wird und hat ausgepfiffen.

Zurück zum Jubilar Schüssel, er ist den Österreichern auch deswegen in Erinnerung, weil er keinen Kleidungsstil prägte. Er trug, abgesehen vom alten Herrn Meinl auf den Fotos in den Meinl-Filialen, als einziger Österreicher ein Mascherl. Dies ging so lange gut, bis seine Gegner einen Sticker mit einem durchgestrichenen Mascherl ersannen, worauf es vom Hals des Kanzlers wieder verschwand.

Ich stand einmal unweit von ihm und seinem Gesprächspartner, dem virtuosen Buchbinder, den ich für die Television interviewen wollte. Da sagte der Kanzler: "Sie dürfen da nicht zuhören." Das war unangenehm, nichts lag mir ferner. Wie immer man zu Schüssel steht, er war eine eigenständige Persönlichkeit, von deren Schlag es jetzt endlich wieder mehr gibt.

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