Der Stegosaurier, drüben im Naturhistorischen, glaubte, einen Brunftschrei vernommen zu haben.

von Karl Hohenlohe

über die Neueröffnung der Kunstkammer im KHM

Bald würde man die Achatschalen, die Greifenklaue, die Jerichorosen, das Tödlein und die Natternzungen bewundern können. Vorab erhöhte ein erlesenes Show-Programm die Spannung vor der Neueröffnung der Kunstkammer im Kunsthistorischen Museum ins Unendliche.

Fabelhafte Geiger, Vorträge, Klavier, Akkordeon und dann Herr Erwin Schrott.

Schon das Betreten der Bühne wurde von allen Damen, aber auch von vielen Herren im Publikum wohlwollend aufgenommen. Herr Schrott hatte den Krawattenknopf gelöst, warf den Kopf nach hinten, lächelte hinunter und hundertfach kam das Lächeln zurück.

Dann Tangoklänge, der Akkordeonspieler, ein Spektakel für sich, warf sich ins Zeug, zwang seine Ziehharmonika zu Höchstleistungen, mit geschlossenen Augen sah er in die Ferne, witterte Verrat, Vernunft und Liebe, die nun allesamt von Erwin Schrott intoniert wurden.

Das Mikrofon nahe an den vollen Lippen, der kleine Finger der rechten Hand abgespreizt, Ring- und Mittelfinger angewinkelt, verlieh Herr Schrott südamerikanischer Melancholie Gewicht.

Dann, als es lauter wurde, warf er das Mikrofon förmlich in die Menge, locker füllte seine schöne Stimme die Kuppel des KHM und der „Stegosaurier“, drüben im Naturhistorischen, glaubte, einen Brunftschrei vernommen zu haben.

Viel zu früh war alles vorbei, viele Damen, aber auch Herren, waren von dieser menschgewordenen Kunstkraftkammer ungemein angetan und versprachen, sich die Ausstellung demnächst schon in aller Ruhe anzusehen.

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