Lebenswerk
Wachsfigur, verehrte Leserschaft, möchte man sein.
Endlich kann man Herrn Udo Jürgens bei Madame Tussauds im Prater als Wachsfigur bestaunen. Er sitzt am Klavier und singt, fast wie im echten Leben. Das Faszinosum am Dasein als Wachsfigur ist, dass man sein Original gewöhnlich überlebt.
So sah ich erst kürzlich in England den Beelzebub Hitler und erfuhr, dass man ihm mehrmals in der Woche ein neues Bärtchen ankleben muss. Möglicherweise, weil man ihn sonst nicht erkennt. Auch Herr Lennon, Buddy Holly und Marie Antoinette sind, in Wachs gegossen, noch am Leben.
Wachs ist ungleich weicher als Bronze, Gneis oder Granit. Und doch wird man als wächserner Wanderer durch die Zeit länger existieren als alle marmornen Monumente.
Verlieren die Staatenlenker einmal ihre Macht, stülpt sich der Volkszorn über sie. Man reißt sie von den Säulen, entfernt sie aus den Parkanlagen und schmilzt ihre ehemals ehernen Körper ein, damit nichts mehr an sie erinnert.
Kommt man jedoch als Wachsfigur aus der Mode, wird man gewöhnlich abgebaut, verräumt und selbst die Motten finden keinen Geschmack an einem.
Plötzlich wird ein alter Hit en vogue, „Merci Cherie“ zum Beispiel, tönt 2061 aus allen Lautsprechern. Flugs holt man Herrn Udo Jürgens, staubt ihn ab und entzieht ihn der Sterblichkeit.
Wachsfigur, verehrte Leserschaft, möchte man sein.
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