Unterschriftsreif
Eva Braun nahm einen Kugelschreiber und schrieb "Lotte Tobisch" auf den Filmprospekt.
Der Filmprospekt war in Würde gealtert.
Die 60 Jahre hatten ihn dünn und brüchig werden lassen, die Ecken waren keine mehr und die schwarz-weiße, nein, braun-weiße Farbgebung auf dem Papier hatte ein wenig von der damaligen Kraft eingebüßt.
All die Jahre lag der Filmprospekt in einem Kuvert, das ihn vor all dem Unbill von außen schützte, vor fettigen Fingern, vor Rissquetschwunden und in erster Linie vor dem größten Feind der alten Filmprospekte – dem Sonnenlicht.
Die ganzen 60 Jahre hatte sich der Filmprospekt nicht gänzlich geschaffen gefühlt, irgendetwas fehlte, aber er konnte es einfach nicht benennen.
Er war mit Fotografien eines Standfotografen bestückt, den man damals extra für die Dreharbeiten von "Der letzte Akt" engagiert hatte. Dieser hatte Albin Skoda, der Hitler gab, fotografiert, Oskar Werner, der einen regimekritischen Hauptmann spielte und Lotte Tobisch, die Eva Braun verkörperte.
1955 war man drucktechnisch noch nicht so weit und so sieht man den Bildern die hohen Jahre deutlich an.
Am 17. Februar 2014 wurde der unfertige Filmprospekt vollkommen überraschend aus seiner beschaulichen Stille gestoßen. Plötzlich sah er sich in einem Saal, er sah Licht, er sah Menschen und er sah Eva Braun.
Eva Braun nahm einen Kugelschreiber, schrieb "Lotte Tobisch" auf den Filmprospekt und zum ersten Mal in seinem sechzigjährigen Dasein hatte er das Gefühl komplett zu sein.
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