Erweckung

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Am Anfang überlegt der Neuling, ob es den anderen und dadurch auch ihm gefällt.

von Karl Hohenlohe

über die Traviata-Premiere

Traviata-Premiere im " Theater an der Wien". Der Opernneuling hat unglaubliches Glück.

In der ersten Reihe sitzt der ORF-Generalintendant, in der zweiten Reihe sitzen Frau Gürtler und Herr Lohner und in der dritten Reihe darf er Platz nehmen.

Der Opernneuling hat vorher noch einmal rasch den Handlungsstrang recherchiert, während der Aufführung werden ihm die eingeblendeten Textbausteine helfen.

Eigentlich ist der Opernneuling kein großer Opernliebhaber.

Zu schwer, zu lang, zu opulent, sagt er gerne und meint damit, dass er keine Ahnung von der Materie hat. Von Verdi weiß er nur die oberflächlichen Sachen, dass er eine Freundin hatte und ein Altersheim.

Am Anfang überlegt der Neuling, ob es den anderen und dadurch auch ihm gefällt. Er beobachtet den neben ihm sitzenden Kritiker und versucht zu entziffern, was dieser mit wütenden Kritzeleien zu Papier bringt. Nein, dem Kritiker kann es nicht gefallen.

Irgendwann geht der Neuling verloren, er geht im Stück auf, in der Inszenierung und in der grandiosen Hauptdarstellerin, Marlis Petersen.

Begeisterung hat ihn ummantelt.

Dann ist alles, viel zu früh, zu Ende. Der Kritiker hat gerade noch ein Taschentuch gezückt und zum Auge geführt und nun klatscht und klatscht er und wird diese Ovationen noch in der Nacht in Worte fassen.

Der Opernneuling verlässt das "Theater an der Wien" und beschließt, kein Opernneuling mehr zu sein.

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