Großer Bahnhof

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Der alte Südbahnhof hat nahezu alle Österreicher mit irgendeiner Erinnerung gespeist.

von Karl Hohenlohe

über den neuen Hauptbahnhof in Wien

Ein Teil des eigenen Lebens ist vorüber. Der Südbahnhof heißt nicht mehr so. Ich befinde mich inmitten Tausender, die sich erst an die Bezeichnung Hauptbahnhof gewöhnen müssen. Ganz vorne steht der Herr Bundespräsidenten und eröffnet. Die Menschen klatschen. Es ist kein höflicher Applaus, man freut sich wirklich.

Die Dame neben mir hat noch den Toni Sailer in Erinnerung, wie sie ihm hier, gleich nach Cortina, zugejubelt hat. Das war der Westbahnhof, will ich sagen, aber wozu. Ein alter Mann hat hier nach sechs Jahren Kriegsgefangenschaft zum ersten Mal seine Frau wiedergesehen. Nein, er hat sie erst nach ein paar Minuten erkannt, sagt er und schweigt.

Sofort drängen die Bilder von Müttern mit den Fotos ihrer Söhne ins Gehirn, die hier auf dem Südbahnhof bei den Heimkehrern sehnsüchtig um Informationen betteln und mit jedem Zug schwindet ein weiterer Funken letzter Hoffnung.

Der alte Südbahnhof hat nahezu alle Österreicher mit irgendeiner Erinnerung gespeist, mit Aufbruch, mit Abschied, Fernweh, Heimweh, Grenzüberschreitung. Der alte Südbahnhof-Schriftzug, der über 50 Jahre, weithin sichtbar, seinen Dienst versah, ist im Wien-Museum gelandet und wird dort – am Leben gehalten von unseren Erinnerungen – für die Nachwelt erhalten.

Am neuen Hauptbahnhof werden jeden Tag mehr als 1000 Züge halten und abfahren. Ein neuer Sammelpunkt für den Aufstand der fahrenden Völker."Wir sind heute wirklich ein bisschen stolz", sagt der ÖBB-Chef Christian Kern und da hat er wirklich ein bisschen untertrieben.

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