Ges.m.b.H.: Handspiel

Ges.m.b.H.: Handspiel
Karl Hohenlohe über eine Dreiundachtzigjährige und eine Fünfundachtzigjährige, die an zwei Enkelinnen erinnern.
Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Als die von der Allgemeinheit so geschätzte Schauspielerin und ehemalige Opernball-Organisatorin Lotte Tobisch-Labotyn vor einigen Tagen ihren 85. Geburtstag feierte, konnte man eine wunderbare Szene beobachten. Das heißt, erst einmal war es gar keine Szene, sondern eine Geste, die sich erst in Folge zu einer Szene formte. Da stand Frau Tobisch im Kreise ihrer Gratulantenschar, nahm Glückwünsche entgegen, vielleicht auch das eine oder andere Geschenk, als sich plötzlich eine Kollegin näherte: Frau Waltraut Haas, zwei Jahre jünger als die Jubilarin. Man kann von einem nahezu historischen Aufeinandertreffen sprechen - beide Damen haben das Bild des österreichischen Film-, Theater- und Gesellschaftsgeschehens in den vergangenen 65 Jahren nachhaltig geprägt. Wie würden die beiden reagieren, würden sie einander um den Hals fallen, würden sie einander herzen oder es bei einem kühlen Händedruck bewenden lassen? Frau Haas und Frau Tobisch begrüßten einander ungemein diffizil, so wie wir es nur von sehr vertrauten Menschen kennen. Als sich Frau Haas genähert hatte, hob sie ganz langsam die rechte Hand, formte eine nicht vollendete Faust und strich dann mit der Außenseite der Finger ganz vorsichtig über die Wange der Fünfundachtzigjährigen. Dies war vor allem deswegen so bemerkenswert, weil wir diese Geste ansonsten von den Großmüttern kennen, wenn sie den Enkelinnen nach längerer Zeit wieder begegnen und dann sehr glücklich sind. Hier aber strich eine Dreiundachtzigjährige einer Fünfundachtzigjährigen über die Wange und man war nicht an eine Großmutter, sondern zwei Enkelinnen erinnert.

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