Doppelfehler
Frechheit kann nicht siegen, wenn sie nicht da ist.
Herr Boris Becker war in Wien.
Er trug einen blauen Anzug und ein violettes Hemd mit weißem Kragen.
Herr Becker wurde fotografiert, gefilmt, befragt und begafft.
Die Produktionsassistenz reichte ihn weiter an die Fans, wo er den Journalisten übergeben wurde, dazwischen aß er, was er immer lieber tut.
Herr Boris Becker spricht so, wie Herr Herbert Grönemeyer singt und wenn Herr Becker spricht, dann über sein neues Buch und die dringende Notwendigkeit, es zu lesen.
Landauf, landab, Boris, Babs und Besenkammer.
Überall wurde Herrn Becker mit großer Hochachtung begegnet, Moderatoren streuten ihm Rosen, lobten ihn in der Television und zeigten sich sichtlich dankbar, dass er ihnen spröde Rede und ebensolche Antwort stand.
Da, wo sonst der Rotzbuben-Charme wirkt, kam Geschmeidigkeit zum Tragen, Frechheit kann nicht siegen, wenn sie nicht da ist.
Anderntags wendete sich das Blatt.
Komplett.
So las man, dass Herr Becker, kaum hatte er das Studio verlassen, genau von jenen der totalen Selbstironiefreiheit bezichtigt wurde, die ihm gerade noch vor laufender Kamera gehuldigt hatten.
Möglicherweise liest Herr Becker die Nachberichterstattung seines Österreich-Besuches und stolpert über den plötzlichen Sinneswandel.
Zuerst einmal wird er sich noch wundern, nun den ersten Satz dieser Kolumne lesen und dann verstehen.
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