Brief-Los

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Damals schrieb man noch, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, ... heute schreibt man fast nur noch Verträge, ...

von Karl Hohenlohe

über das Schreiben

Im Vöslauer Thermalbad wurde nun schon zum vierten Mal vorgelesen.

Maria Happel und Johannes Krisch lasen aus Liebesbriefen von Alma Mahler und Oskar Kokoschka, die von Angelika Hager zusammenstellt wurden.

Ein schöner, ruhiger Abend, der das von Thermalwasser umgebene Publikum in eine vergangene Epoche spülte.

Damals schrieb man noch, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, man schrieb sich etwas von der Seele. Man schrieb, um zu vergessen oder um etwas in Erinnerung zu behalten. Heute schreibt man fast nur noch Verträge, die alles transportieren, nur keine Emotionen.

Herr Kokoschka und Frau Mahler waren einander in zerstörerischer Liebe verbunden, die immer dann auflebt, wenn ein Teil mehr begehrt, als der andere. So schrieb man sich zuerst die Seele wund und dann gar nicht mehr.

Wir wissen, dass Herr Kokoschka eine Puppe ganz im Stile Almas entwarf und sie anbetete. Wir wissen auch, dass er dieser, mit Eisbärenfell drapierten Puppe Briefe schrieb, nur ob sie geantwortet hat, das wissen wir nicht.

Es ist bedauerlich, dass die Menschen kaum mehr zur Feder greifen und keine Kuverts mehr frankieren. So geht der Nachwelt viel Essentielles verloren.

So beispielsweise auch die Gedanken des etwas schreibfaulen Ludwig XVI., der am 14. Juli 1789, also genau an jenem Tag, als das Volk die Bastille stürmte, etwas Ähnliches wie "Heute keine besonderen Vorkommnisse" ("Nichts") in seinem Tagebuch vermerkte.

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