Blickdicht

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Herr Springer wurde von vielen Anwesenden besonders gemustert.

von Karl Hohenlohe

über skeptische Blicke

Nun hat man gleich gegenüber der Wiener Staatsoper, neben dem Palais Todesco, eine schöne neue Lokalität eröffnet.

Gerstner und Schlumberger grüßen als Vermählte. Viele bekannte Persönlichkeiten waren gekommen, der Herr Direktor Dominique Meyer und ein Vorgänger, der berühmte Trzesniewski-Eigner Andrew Demner und der gewesene Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer.

Herr Springer wurde von vielen Anwesenden besonders gemustert.

Ich will und kann nicht werten, inwieweit das Burgtheater unter ihm gelitten hat, aber die Menschen sind im Allgemeinen mit einem Urteil rasch bei der Hand. Wie bestraft man in Wien jemanden, bei dem man nicht weiß, ob er frei von Schuld ist oder welche auf sich geladen hat? Man arbeitet an einem skeptischen Blick, und wenn man ihn kann, wirft man ihn mit einem Hauch Empörung in die Richtung des Verdächtigen und schaut, bevor er zurückblicken kann, schnell wieder weg.

Es gibt ja dankenswerterweise weltweit wenige Länder, wo man öffentlich so viele Verdächtige bestaunen kann.

Sie treten gerne in Gesellschaftssendungen an das Licht der Öffentlichkeit, verharren in Cafés, klatschen in Opernpremieren, residieren in Etagen einzelner Institute und werden tagaus, tagein mit skeptischen Blicken beworfen.

Wird ein Verdächtiger verurteilt, stehen viele vor dem Scheideweg: Freut man sich jetzt über die Verurteilung oder ist man gekränkt, weil einer, dem man so schöne skeptische Blicke zuwerfen konnte, nun für einige Zeit nicht mehr zur Verfügung steht.

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