Blickdicht

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Man zauberte Negligés auf die Nasenrücken, Gläser, die nur mehr Gläser waren, gehalten von unsichtbaren Bügeln.

von Karl Hohenlohe

über Brillen

Erst die Dinosaurier, später die Moral und nun die Brille. Der Sehbehelf ist vom Aussterben bedroht. Man hat ihn langsam sterben lassen. Früher war er noch riesengroß, dunkelglasig und schützte auch an Schattentagen vor der Sonne.

Filmstars, trauernde Witwen aus Hollywood oder Biarritz und Rockstars am nächsten Tag konnten nicht oben ohne. Später gingen die Designer daran, die ehemals grandiosen Gestelle zu verkleinern und sie unsichtbar zu machen.

Man zauberte Negligés auf die Nasenrücken, Gläser, die nur mehr Gläser waren und von unsichtbaren Bügeln gehalten wurden, und verhalf der Pupille zum Kontakt mit einer artifiziellen Linse, die Kontaktlinse war geboren.

Dann kamen Armin Wolf und später Bundespräsident a. D. Wulff und der Skirennläufer Marcel Hirscher. Sie trugen eine Brille und jetzt nicht mehr.

Hunderttausende werden sich noch an den Abend erinnern, als Armin Wolf erstmals ohne Brille das ZiB 2-Studio betrat und man in der Nacht von Peter Rapp träumte, der einmal, ohne Vorwarnung, glatt rasiert in einer Sendung erschien.

Wulff ist mir wurscht, Hirscher nicht. Seine Brille, die ich trotz der dauernden Wortwiederholung nicht Nasenfahrrad nennen will, war Teil seiner selbst, genau so wie der Würgereflex bei Herrn Berlusconi und die Wollperücke von Herrn Disc-Jockey Ötzi.

Die Bison-Amazone, der Beutelwürger, der bengalische Tiger und die Brille sind bedroht und wenn es so weitergeht, werden wir auch noch Michael Haneke ohne Bart erleben.

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