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Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Es ist erstaunlich, welcher Frost von einem einzelnen Gesicht ausgehen kann.

von Karl Hohenlohe

über Putins Staatsbesuch

Hält die Absperrung, die man da um das Areal des Hochstrahlbrunnens mit dem unbekannten russischen Soldaten gelegt hat, die Begeisterung der Massen im Zaum oder den Argwohn der Zuschauer?

Werden sie "Hoch!" oder "Nieder!" rufen, wenn der russische Präsident den Kranz zu Boden senkt?

Die Polizisten, die da mit dem Gesicht zur staunenden Menge stehen, sind sich ihrer stärksten Waffe bewusst. Einfach ihr Dasein, ihre zahlreiche Präsenz, soll etwaige Störenfriede, Bombenschleuderer und verwirrte Fanatiker schon vor der schrecklichen Tat zur Raison rufen.

Zur Staatsräson.

Die Polizisten könnten einem leid tun. Natürlich wollen sie sich umdrehen, um den Zar bei seiner Amtshandlung zu beobachten, aber man hat ihnen eingeschärft, potenzielle Attentäter ausfindig und – gegebenenfalls – nach Perlustrierung unschädlich zu machen.

Dann senkt sich der Kranz. Der Wind hat kein Erbarmen, die Schleifen schlafen, aber ein kalter Hauch macht sich breit, umhüllt das Denkmal und streift die traurigen Schaulustigen.

Es ist erstaunlich, welcher Frost von einem einzelnen Gesicht ausgehen kann.

Ein Betrunkener taumelt vorbei, murmelt irgendetwas vom Denkmal des unbekannten Uhrendiebes, wird von der Exekutive zwar nicht als potenzieller Bombenschleuderer, jedoch als Störenfried taxiert und mit aller Deutlichkeit zum Verlassen des Areals aufgefordert.

Er geht noch vor dem Zaren, er winkt, er wankt, die Staatsräson ist wieder hergestellt.

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