Gespür für Schnee

Pistenkilometer sind wie Hotel-Pools: Jeder will sie haben, keiner nutzt sie wirklich.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Mit Pistenkilometern ist es wie mit Hotel-Pools: Jeder will sie haben, keiner nutzt sie wirklich. Oder sind Sie die 760 Pistenkilometer im Wintersportverbund Ski Amadé schon abgefahren? Eben.

Heuer gibt es wettertechnisch keine Ausreden. Es hat geschneit, bevor Klimaforscher "Erderwärmung" und Wirte "Kochmangel" rufen konnten. Vor lauter Aufregung haben die ersten Seilbahnbetreiber ihre Ski-Openings heuer ausnahmsweise nicht nach hinten, sondern nach vorne verlegt. Dieses Wochenende sind unter anderem die ersten Lifte auf der Turrach, Planai oder Silvretta Montafon in die Saison gestartet. Das ist eine gute Nachricht für alle, die auf der Jagd nach Höhenmetern und Pistenkilometern sind und diese via App dokumentieren.

Es gibt Skihelme, bei denen Höhenmeter und Geschwindigkeit im Visier eingeblendet werden. Mir persönlich wäre speziell an nebeligen Tagen eine GPS-Funktion lieber. Gibt es nicht. Zu gefährlich, weil das GPS in den Bergen noch zu ungenau ist. Man könnte ja blindlings in eine Skihütte knallen oder über den Abhang stürzen, weil man mit Tunnelblick aufs Navi unterwegs ist. So wie jene, die angeblich ihrem Auto-Navi treu bis in den nächsten Gebirgsbach folgen.

Diese sonderbare Form der Technikgläubigkeit hat nichts mit der Höhenluft zu tun. Sie scheint ein globales Phänomen zu sein. Forscher spüren sie selbst in der Arktis auf. Auf der Insel Iglulik. Dort, wo Inuit einst ohne Karte und Kompass durch die arktische Einöde gestampft sind – mit einem Orientierungssinn, den keine Schneeverwehung umhauen konnte.

Seit der Jahrtausendwende passieren auf der Insel im hohen Norden auffällig viele Unfälle, berichtet brand eins. Die Jungen verlieren das Gespür für den Schnee. Sie lassen sich von satellitengesteuerten Routenplanern auf dünnes Eis führen, übersehen herannahende Gefahren.

Das kann dem Städter beim Eislaufen im Wiener Rathauspark nicht passieren. Auf der schon eröffneten 4500 Quadratmeter großen Fläche des Eiszaubers gibt es sicher mehr Hinweisschilder als in der ganzen Arktis.

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