Schlaflos
'Gnade, liebes Finanzamt, Gnade!', soll ich im Schlaf gewimmert haben.
Wenn ich vom Finanzamt oder der SVA Briefe bekomme, endet das meist in einer von Heulkrämpfen gespickten Panikattacke. Ich zögerte daher einen unausweichlichen, persönlichen Besuch beim Finanzamt so weit hinaus, bis es mein Dottore Amore nicht mehr ertrug – „Gnade, liebes Finanzamt, Gnade!“, soll ich im Schlaf gewimmert haben. Da der Dottore seit Anfang Feber auf einer Chirurgie arbeitet, und den ganzen Tag seine Hände in anderen Menschen drin hat, musste ich ihm versprechen, unser beider Schlafsituation baldigst zu verbessern. Dennoch wartete ich auf einen sonnigen Mittwoch. Ich zog mein bravstes Chormädchen-Kostüm an, frisierte das Haar artig, packte Müsliriegel und Wasser ein, kontrollierte mehrmals all die Dokumente, und bestieg käsebleich die Straßenbahn zum Finanzamt Marxergasse. Als ich die Menschenmassen sah, die sich rund um den Eingangsbereich und im Foyer wutzelten, kämpfte ich gegen meine Fluchtreflexe und bahnte mir todesmutig einen Weg durch die mit Formularen wedelnden Horden zur Information. Netterweise wurde ich mit einer Nummer versehen und in ein etwas gesitteteres Stockwerk weitergeschickt, verblüffende drei Minuten und 21 Sekunden später durfte ich eintreten. Zitternd überreichte ich alle Unterlagen. Demütig starrte ich auf meine gefalteten Hände und wagte weder die Galerie Katzenfotos, noch die menschengroße Puppe mit der Bauchaufschrift Wenn du Stress hast, box mich zu betrachten, als mir nach weiteren vier Minuten die Sachbearbeiterin die unterschriebenen Formulare zurückgab. „Hier bitte schön, alles in Ordnung!“ Perplex musste ich dem Drang widerstehen, dieser reizenden Dame um den Hals zu fallen. Und dann lächelte sie auch noch und wünschte mir alles Gute! DenGötternseiDank sind an sonnigen Tagen nicht alle Finanzämter so, wie sie in dunklen Nächten scheinen.
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