Dr. Sexy Tooth
Nur unter Vollnarkose
Eines der besten Dinge an unserer Weltreise war das Meer zwischen mir und meinem Zahnarzt. Ich schätze ihn ja. Nach einer Odyssee durch die Folterkammern Wiens fühle ich mich bei diesem gut aufgehoben, soweit das halt bei einem Zahnarzt möglich ist. Ich hab ja nicht einmal Karies, keine einzige Plombe, nur einen beim Skateboarden abgeschlagenen Zahn, der einfach keine Ruhe gibt. Vor der Kontrolle letzte Woche pumpte ich mich mal wieder mit Beruhigungstabletten voll – was meine Freundinnen überhaupt nicht verstanden haben. Die haben zwar viel schlechtere Zähne, pilgern allerdings voller Freude zu meinem Zahnarzt. Sie schwärmen von seinem vollen schwarzen Haar, der wohlgeformten Statur, und meinen, er sehe aus wie George Clooney aus dem Morgenland. Sogar einen Spitznamen haben sie ihm verpasst: Dr. Sexy Tooth. Ich weiß wirklich nicht, wovon die reden. Ob ein Zahnarzt fesch oder schiach ist, kann man doch nicht sagen! Ein Zahnarzt ist ein Zahnarzt und somit allen normalen menschlichen Beschreibungskategorien entzogen. Man bezeichnet ja auch nicht ein Milchpackerl als sexy oder ein Balkongeländer als lustig. Zudem macht man doch als vernünftiger Mensch die Augen zu, sobald man die E-Card gezückt hat! Ein Zahnarzttermin ist eh schon Strafe genug, wieso soll man sich dann auch noch durch den Anblick seiner Folterwerkzeuge quälen? Bei der Kontrolle zwang ich mich jedoch auf Bitten meiner Freundinnen, meine Augen offen zu halten, um die angeblichen Modelqualitäten meines Zahnarztes zu untersuchen. Er jedoch hielt mir ein Röntgenbild vor die Nase und erklärte, dass man meinen Kiefer oberhalb des Zahnes aufbohren und eine dortige Entzündung herauskratzen müsse. Geh habt’s mich gern! Selbst wenn er der schönste Mensch der Welt ist, und mit seiner Schönheit Blinde sehen machen kann – ich betrete diesen Raum nur mehr unter Vollnarkose.
vea.kaiser@kurier.at
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