Spaghetti mit Geduldsfaden
Doch dann landeten mein Packerl Spaghetti und ich in der Vorhölle.
Wir wollten die sommerliche Vorweihnachtszeit in Argentinien genießen. Statt Weihnachtsgeschenken nachzujagen, besuchten der Dottore Amore und ich einen Tango-Kurs. Bis sich mein Liebster den Fuß brach. Jetzt tanzt er nicht, sondern lahmt. Die strenge Bettruhe verbringt mein Herzbub vor allem damit, seinem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Aus Fußballturnieren ist ja bekannt, dass italienische Männer ein höheres Schmerzempfinden als der Rest des schwachen Geschlechts haben, und ich wollte ja geduldig und verständnisvoll sein, doch irgendwann brach in mir das niederösterreichische Landkind mit der Sensibilität einer Klobürste heraus und ich schrie: „Sei froh, dass du kein Rennpferd bist, sonst hätten s’ dich schon lang erschossen.“ Seiher kann ich mir einen Haxen ausreißen, um zu zeigen, dass ich sehr wohl eine liebevolle Freundin bin. Ich putze, bügle und neulich ging ich sogar in den Groß-Supermarkt, um ihm gute aus Italien importierte Pasta zu besorgen – die dank der argentinischen Schutzzölle übrigens 6 Euro kostet. Doch dann landeten mein Packerl Spaghetti und ich in der Vorhölle. Vor den Kassen tummelten sich Schlangen biblischen Ausmaßes. Kinder schrien. Männer schwitzten unter der Last zweier Einkaufswagen, die ihre Begleiterinnen, ausschwirrend wie die Bienen im Frühling, eifrig mit Zierkissen und Sekt befüllten. Familien stand das Leid im Gesicht. Nach 45 Minuten an der Kassa, nachdem der Kassierer zehn Minuten gebraucht hatte, um Herr meiner österreichischen Visa zu werden, ich vor Unterzuckerung eine ganze Packung Kekse genascht hatte, erblickte ich ein Reklameplakat: An jenem Wochenende hatte es bis zu 75 Prozent auf Weihnachtswaren gegeben. Die Spaghetti und ich dachten dasselbe: Weihnachtsputz, Einkaufswahnsinn, zu viel Kekse und völlige Erschöpfung – da hätten wir gleich in Europa bleiben können.vea.kaiser@kurier.at
Kommentare