Reisen ohne Plan
Ruhig bleiben, er ist halt Süditaliener.
So lieb ich meinen Dottore Amore habe – seit wir uns auf eine achtmonatige Reise begeben haben, muss ich mir manchmal zusummen: „Ruhig bleiben, er ist halt Süditaliener.“ Dies ist nötig, wenn mein Bedürfnis nach sorgfältiger Organisation auf seine vollkommene Resistenz gegen jegliche Organisation trifft. Unzählige Male versuchte und versuche ich, ihn zum Flugbuchen zu überreden, doch kaum dass wir sitzen, springt er auf, er könne nicht denken ohne Espresso, und will ich ihn – koffeingestärkt – zurück ans Werk holen, flüstert er mir romantische Worte ins Ohr und schon machen wir was anderes. Manchmal, wenn mich die Panik befällt, wie eine so große Reise ohne saubere Vorbereitung gut gehen soll, besinne ich mich darauf, dass seine süditalienische Heimatstadt im 6. Jahrhundert v. Chr. von Auswanderern aus Samos gegründet wurde. Wahrscheinlich ist mein Herzkönig deren direkter Nachfahre, denn Chaos ist ein griechisches Wort. Und die samischen Kolonisten hatten höchstwahrscheinlich auch keinen Masterplan geschmiedet, welche Weltwunder der Antike sie auf der Fahrt durch die damals bekannte Welt keinesfalls verpassen durften. Wahrscheinlich setzten sie sich einfach in ihre Schiffe, fuhren los und alles funktionierte wunderbar. Denn das ist nämlich die bittere Realität: Es funktioniert auch alles ohne sorgfältige Vorplanung. Vielleicht ist dann zwar der perfekte, günstige Non-Stop-Flug nicht mehr verfügbar, aber irgendwie kommt man immer weiter. Zudem wollen wir ja keine Kolonie gründen, sondern bloß zusammen die Welt sehen. Und so schwer es mir fällt, es zuzugeben: Das geht sogar leichter, wenn man nicht von einem Plan abgelenkt ist, auf den man starren muss, sondern rechts und links schaut, worauf man Lust hat. Und wenn man das noch dazu mit demjenigen Menschen tun kann, den man lieb hat, läuft sowieso alles nach Plan.
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