Oh Jesus!
Ellbogen raus, Mönch vorbei!
Keine Ahnung, was ich mir von der Jerusalemer Grabeskirche erwartet hatte, aber irgendwie halt schon, dass es an jenem Ort, an dem Jesus beigesetzt wurde, ein bissi bedächtig zugeht – egal, ob das Grab technisch gesehen leer ist. Das Erste, was ich in der Kirche sah, war eine junge Inderin, die sich auf den Salbungsstein warf und lauthals schrie: „Jesus, Jesus! Oh no! Oh no!“, so als würde der arme Kerl noch immer am Kreuz gemartert. Mit so was hatte ich gerechnet, nicht jedoch mit Nonnen, die sich dank Selfie-Stick in jedem Winkel fotografieren, einem Priester, der die Pilger am Grab vorbeitreibt wie die Zirkusponys durch die Manege und vor allem nicht mit diesem penetranten Geruch nach Käsetoast. Nix da mit Weihrauch.
Es ist ja verständlich, dass es am Hauptort aller christlichen Bekenntnisse wurlt wie in einem Ameisenhaufen. Verblüffend hingegen, wie rücksichtslos die Geistlichen der sechs in der Kirche residierenden Konfessionen durch die Besucherscharen navigieren, frei nach dem Motto: Ellbogen raus, Mönch vorbei! Untereinander streiten sie sowieso fortwährend, wer welchen Kerzenhalter verrücken darf und sind sich nur darin einig, dass diejenigen Touristen unbedingt anzuschnauzen sind, die sich erdreisten, nach dem WLAN-Passwort zu fragen. Oder nach den Toiletten, die es übrigens nicht gibt, weil man sich nicht verständigen kann, wer für was zuständig ist.
Über Urinal oder Unisex diskutieren Generationen von Gottesmännern und so verwundert es nicht, dass der Schlüssel zur Grabeskirche seit dem
7. Jahrhundert bei der muslimischen Familie Nusseibeh liegt, die morgens auf- und abends zusperrt. Die Grabeskirche ist ein Beweis dafür, dass ein friedliches Nebeneinander der Religionen nicht nur möglich, sondern auch nötig ist. Ahja, und das WLAN der Kirche heißt übrigens: Amen_holy.
vea.kaiser@kurier.at
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