Das tolle am Reisen
Der Mensch wächst an seinen Herausforderungen.
Das Tolle am Reisen ist nicht nur, dass man die Welt samt ihrer hübschen Ecken wie tollen Menschen kennenlernt, sondern sich selbst. Und wenn man zu zweit reist: auch den Partner. Vor allem wenn man sich, so wie der Dottore Amore und ich, zuvor nicht allzu lange kannte. Das heißt, eigentlich kennen wir uns lange, waren aber lange nur Freunde. Und Freunde sieht man normalerweise nicht nackt oder in sonstigen intimen Situationen. Eine gemeinsame Weltreise jedoch legt alles offen. So habe ich staunend festgestellt, dass mein Lebensgefährte ein Kohlenhydrate-Massengrab ist. Vielleicht liegt das an seinen süditalienischen Genen, aber er MUSS regelmäßig Pasta essen, und als ob Teigwaren nicht eh schon der Inbegriff eines Kohlenhydrat-reichen Lebensmittels wären, begleitet nicht das Sugo die Nudeln, sondern Unmengen von Brot. Dass er manchmal, wenn er in der Nacht munter wird, einen Espresso trinkt, ehe er zurück ins Bett tapst, ist im Vergleich dazu fast verständlich.
Das sei halt, so sagt er, der Treibstoff für seinen Motor. Bisher reisten wir nur in Europa, da ist das „Auftanken“ kein Problem, aber ein bisschen sorge ich mich um die Versorgungslage, wenn wir im Juli nach Japan fliegen, und dann ab August in Südamerika unterwegs sind. Das heißt, wenn wir es überhaupt schaffen, den Kontinent zu verlassen. Denn eine Gemeinsamkeit haben der Dottore Amore und ich an uns entdeckt: Wir sind beide völlig unfähig, irgendetwas längerfristig zu organisieren, und so beschränkt sich die bisherige Organisation unserer Weltreise auf 1 Flug und 0 Unterkunft. Wir wissen, dass wir Ende November in der Südsee sein wollen. Wie wir dorthin kommen? Nun, das weiß zurzeit nur der Kaffeesud seines Espresso. Aber der Mensch wächst an seinen Herausforderungen. Und Espresso in Überdosis soll schon so manches Wunder bewirkt haben.
vea.kaiser@kurier.at
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