Die Welt ist ein Dorf
Was, wenn mein Dottore Amore angesteckt wird?
Die Welt ist ein Dorf. Ja, das ist eine abgedroschene Phrase, aber sind Sie nicht auch jedes Mal fasziniert, wenn Sie feststellen, dass sie tatsächlich wahr ist? Mein Dottore Amore z. B. wurde von der süditalienischen Sonne so ansehnlich geformt, arbeitet jedoch ausgerechnet in jenem niederösterreichischen Krankenhaus, in dem ich geboren wurde, und das zusammen mit meiner besten Kindheitsfreundin, die ob ihres ausgeprägten Sport-Triebs auch Dr. Bootcamp genannt wird. Ich weiß nicht, was sie meinem Kronprinz in den Pausen erzählt, während er Espresso trinkt und sie Liegestütze macht, doch neuerdings findet Dottore Amore mein Niederösterreich exotisch und sekkiert mich die ganze Zeit, wann wir einen Ausflug aufs Land machen, das Wetter sei doch so schön. Das Problem: Ich fahr nur aufs Land, wenn das Wetter schlecht ist. Zum einen versucht mich die Flora seit einem Vierteljahrhundert mit Gräserpollen-Geschoßen umzubringen, und in der Fauna vermehrt sich ungebremst eine bedrohliche neue Spezies: Rennradfahrer. Irgendwie scheint der Trugschluss zu existieren, 50 sei das neue 15, Bianchi der neue Porsche und Böheimkirchen Startpunkt der Tour de France. Sobald es warm wird, streifen sie sich gelbe Trikots über den Weihnachtskeksfriedhof, zwängen sich in Hoserln, die alles bedecken und trotzdem alles zeigen, und steigen auf Hightech-Räder, für deren Aufrüstung weit mehr Zeit investiert wurde als für das Trockentraining am Hometrainer. Einzelne Exemplare, die konzentriert und schweißtreibend sporteln, sind ja wunderbar, aber die Rudelformationen, die verbissen darüber verhandeln, wo man sich den nächsten Radler holt, machen mir Sorgen, denn 1.: Wie überholt man die? Und 2.: Was, wenn mein Dottore Amore angesteckt wird? Erst neulich sah er sich den Giro d’Italia an, und da leuchtete etwas in seinen Augen …
vea.kaiser@kurier.at
Kommentare