Sind Bälle zum Verlieben da?

Vea Kaiser

Vea Kaiser

Der Ritter vom hinigen Smoking

von Vea Kaiser

Walzer ohne Stimmung

Seit ich mich für Burschen interessiere, schwören meine Eltern, dass es ein Rezept gäbe, um sich zu verlieben: das Tanzen auf Bällen. Wie es sich für brave, rebellische Kinder gehört, war ich der felsenfesten Überzeugung, meine Eltern hätten Unrecht. Ende zwanzig und frisch getrennt beginnt man allerdings, bisherige Lebensgrundsätze zu überdenken. Immerhin sind meine Eltern seit 38 Jahren glücklich und leidenschaftlich schmusend verliebt. Vergangenen Samstag verabredete ich mich also mit einem charmanten Galan zu einem Ballbesuch. Seit meinem Maturaball hatte ich das nicht mehr gemacht und vergessen, wie lang das dauert, sich für einen Ball herzurichten. Dementsprechend war ich sogar stolz darauf, nur eine Stunde zu spät zum Aperitiv zu kommen. Ich gebe zu, es ist schon romantisch, in der langen Robe von einem aufgemascherlten Mann ausgeführt zu werden. Als wir jedoch zum Ball aufbrechen wollten, blieb der Galan unglücklich an einem Holzspan hängen und riss sich den Smoking auf. Ich fand das sehr komisch, und wurde postwendend vom Schicksal bestraft, indem mein Stöckelschuh im Pflaster steckenblieb und brach. Wir tauften uns in Der Ritter vom hinigen Smoking und Cinderella um, galoppierten auf unserem weißen Schlachtross namens Taxi zu ihm, Smoking wechseln, schließlich zu mir, Schuhe tauschen, um vor dem Ballsaal festzustellen, dass aus dem Ritter vom hinigen Smoking nun der Ritter von der vergessenen Ballkarte geworden war. Kurz nach Mitternacht betraten wir den Ball. Wir tranken ein Glas Sprudel, tanzten einen Walzer, doch all das Hin und Her hatte uns beide so ermüdet, dass keine rechte Stimmung aufkommen wollte. Wenig später lag ich abgeschminkt im Bett und tröstete mich damit, dass ich zumindest in einer Sache Recht hatte, und zwar, dass meine Eltern tatsächlich Unrecht hatten.

vea.kaiser@kurier.at

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