Der Kaninchenirrtum
Nach dem Tod meines besten Kindheitsfreundes Flitzi-Schlappi-Hase II
Neulich kamen meine Eltern zu Besuch. Das machen sie in letzter Zeit öfters, und ich finde es wunderschön, mich mit Sushi und Weißwein dafür bedanken zu können, dass sie mich als Kind so liebevoll gefüttert haben, obwohl ich wirklich haklich war. Wir hatten einen wunderbaren Abend, scherzten und lachten, bis ich ihnen erzählte, dass ich meinen jahrzehntelangen Hasenfleisch-Boykott beendet und tatsächlich ein Stück Kaninchen gegessen habe. Zwei Dekaden lang hatte ich das aus Trauer um den Tod meines besten Kindheitsfreundes Flitzi-Schlappi-Hase II verweigert, doch dann veranstalteten italienische Freunde ein grande Abendessen und die bella Gastgeberin hatte ein herrliches Coniglio alla cacciatora zubereitet. Und es schmeckte köstlichst. Daraufhin kicherten meine Eltern wie Kinder, die der Lehrerin ein Pupskissen auf den Sessel platziert haben. „Was?“, fragte ich verwundert. „Kaninchen hat dir eh immer geschmeckt“, sagte mein Papi. „Nein, das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich Kaninchen gegessen hab“, wiederholte ich streng und meine Eltern wieherten. Papi schlug sich auf die Schenkel, Mami musste sich bemühen, nicht den Wein auszuspucken, während sie mir erklärten, sie hätten meine ganze Kindheit hindurch Kaninchen gekocht und es mir als Hühnchen untergejubelt. In der Erziehung müsse man schließlich konsequent sein und nicht alle Launen des Kindes tolerieren. „Und ich hab das gegessen?“, fragte ich und realisierte plötzlich, dass ich gar nicht weiß, wo Flitzi-Schlappi-Hase II begraben wurde. Bzw. ob er begraben wurde. Ich hatte extra einen Chili-Schokoladenkuchen mit flüssigem Inhalt gebacken, wie ihn meine Eltern lieben, doch nach dieser Eröffnung korkte ich die Weißweinflasche zu und schickte die zwei ins Bett. Keine Nachspeise für schlimme Eltern. In der Erziehung muss man konsequent sein.
vea.kaiser@kurier.at
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