Alpine Freuden
Wenigstens verstehe ich jetzt, woher das Wort Alpenglühen kommt.
Neulich fuhr ich mit meinem Puszta-Boy ins Tiroler Hochgebirge, was ein ziemliches Abenteuer war – denn er fuhr. Da die Puszta so flach ist, dass man der Erde beim Krümmen zuschauen kann, war ich mir nicht ganz sicher, ob wir heil die Serpentinen hinaufkommen. Doch alles ging gut, denn der Puszta-Boy hatte eine Mission: in einem hübschen, neuen Hotel den Hochgebirgsbewohnern und dortigen Gästen seine Puszta-Weine zu präsentieren. Es ist ja immer faszinierend, wie es Menschen verbindet, alles außer Hochdeutsch zu können. Das lokale Idiom der Puszta ist ja relativ anders als die alpinen KCH-Laute der Tiroler Berge, doch mein Weinbauer und seine Weintrinker verstanden sich prächtigst, schäkerten, spaßten, scherzten – ich stand daneben und hatte keine Ahnung, was die da reden. Also begab ich mich früh ins Zimmer, um in Ruhe Maxim Billers genialen Roman Biografie zum dritten Mal zu lesen, doch ein Abend genüsslicher Lektüre wollte mir nicht vergönnt sein. Weder die Deckenlampe noch die neben dem Bett zu Boden strahlenden Designer-Fantasien von einer Lichtquelle vermochten geeignetes Leselicht zu spenden. Am nächsten Tag traf ich den Papa der Hotelbesitzer, welcher für die Elektrik zuständig war. „In euren Zimmern kann man nicht lesen!“, klagte ich. „Freili!“, antwortete er. „Mir sind halt nit davon ausch’gangen, dasch in unschre Betten wer leschen tuat!“ „Sondern?“, fragte ich verdutzt, woraufhin der ältere Herr so rot wurde, dass ich auch rot wurde und mich stillschweigend krümelte. Wenigstens verstehe ich jetzt, woher das Wort Alpenglühen eigentlich kommt, und warum das heilige Land Tirol heilig genannt wird: Dort werden die Worte des Herrn sogar in den Hotels gelebt anstatt gelesen. Wie heißt’s in der Bibel? Liebet und vermehret euch.
vea.kaiser@kurier.at
Kommentare