Gratulation, Bob!
Dylan erinnert uns daran, dass Lyrik den Lauschenden packen soll.
Immer im Oktober könnte man glauben, das Lesen sei tatsächlich eine weit verbreitete und von vielen Menschen regelmäßig ausgeübte Beschäftigung. Den Zeitungen liegen Bücherbeilagen bei, diverse Literaturfestivals und Lesewochen schicken Autoren herum wie Kettenbriefe, die Frankfurter Buchmesse wirft ihren normseitenformatierten Schatten über die Lande und wer nicht bei drei auf dem Baum ist, bekommt einen Literaturpreis verliehen. Vom Nobelpreis bis zum Literaturpreis der Brieftaubenzüchter gibt es literarische Auszeichnungen in unüberschaubarer Zahl und Gestalt, die oktoberlich aus dem Olymp der Literaturkritik regnen. Seit Jahren versucht beispielsweise der Deutsche Buchpreis, die beste deutschsprachige Neuerscheinung zu prämieren, was seinen Juroren von Jahr zu Jahr ein bisschen mehr misslingt. Dieses vielfach geteilte Unverständnis über die jeweilige Kür dürfte aber trotzdem nicht der Grund dafür sein, dass in zwei Wochen erstmals der Österreichische Buchpreis vergeben wird, welcher wiederum das beste deutschsprachige Buch eines österreichischen Schreibenden auszeichnen soll. Wer braucht schon Weltliteratur, wenn man im Schnitzelland lebt. Sie merken schon, mir ringt dieser Preisreigen eher ein Lächeln denn große Begeisterung ab, doch heuer bin ich so richtig glücklich über die Entscheidung, den Literaturnobelpreis Bob Dylan zu verleihen. Lyrik bedeutet zur Lyra gesungene, poetisch verdichtete Darstellung der Welt. Jetzt hat der Dylan zwar eine Gitarre in der Hand, erinnert uns dennoch an die Anfänge dieser Gattung, daran, dass Lyrik vor allem die ihr Lauschenden packen, fesseln und berühren soll, um das, was man im Herzen fühlt, durch Sprache auszudrücken. Außerdem, geben Sie’s zu: Haben Sie sich nicht auch alle irrsinnig gefreut, endlich einmal denjenigen, der den Nobelpreis für Literatur bekommt, zu kennen?
vea.kaiser@kurier.at
Kommentare