Umzug
Liebster, wir müssen zusammenhalten, wenn wir hier lebendig rauskommen wollen.
Bis heuer dachte ich, die charakteristische Eigenschaft des Sommers sei, alles leichter zu machen. Wer frei hat, vergnügt sich in der Sonne, wer arbeiten muss, tröstet sich mit lauschigen Grillabenden und eisgekühlten Sommerspritzern. Vielleicht geht es nicht allen gut, aber zumindest besser. Meinte ich bisher. Denn eine Gruppe hatte ich nicht berücksichtigt, für die der Sommer keine Erleichterung, sondern eine Erschwernis der Extraklasse bringt: umziehende Menschen. Seit ich aus freien Stücken beschlossen hatte, unseren Doppelumzug in die neue Wiener Wohnung und das Puszta-Häuschen im Monat Juli zu erledigen, weiß ich, dass mein Uni-Zeugnis ein falsches Bild zeichnet: Ich bin nicht intelligent. Ich bin völlig bescheuert. Wie schön das Leben sein wird, wenn man fertig ist, hilft weder gegen Handwerker, die seit vier Wochen „morgen wirklich“ kommen, noch gegen Leitungen, die nicht dorthin verlegt werden können, wohin sie laut Küchenplaner müssen, weil plötzlich ein Kaminschacht in der Wand auftaucht. Das passiert auch in anderen Monaten, aber wenn man nicht tagelang bei 34 Grad Kisten in den 4. Stock Altbau schleppt, kann man mit all den Unwegsamkeiten besser umgehen. Doch eine Strafverschärfung hätte ein anderer Umzugstermin sicher nicht abgemildert: die IKEA-Besuche als junges Paar mit Hund. In den Albträumen werde ich noch lange in Endlosspirale an den Beginn des Geschäfts laufen, um etwas Vergessenes zu holen, während endlose Listen unauffindbarer Regalbretter herabsegeln und Fleischbällchenmonster hinter den Ecken lauern. Als der Puszta-Boy und ich atemlos und verschwitzt kurz davor waren, uns wegen eines Schuhkasterls zu zerkriegen, griff ich nach seiner Hand: „Liebster, wir müssen zusammenhalten, wenn wir hier lebendig rauskommen wollen.“ Er antwortete: „Sei einfach nur still. Dann kommen wir hier lebendig raus.“vea.kaiser@kurier.at
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