Sentimentalitäten-Exorzismus
Es ist mir ein inneres Volksfest! Der Fortpflanz lässt sich herab, mit mir Urlaub im Griechischen zu machen. Er möchte eben seinen lebenden Bankomaten mit Kochkenntnissen in nächster Nähe wissen. Während wir unseren Rettungs-Sonnenschirm aufspannen, lässt das Kind einen Satz fallen, der wie eine Bombe in mein Herz einschlägt: "Vielleicht werde ich im Herbst ausziehen." Ich ringe mir Gelassenheit ab: "Wenn du meinst ..." Das Kind ist sichtlich enttäuscht, dass ich keine Klageweiber-Nummer abziehe, mir nicht die Haare büschelweise vom Haupt rupfe und Schmerzensballaden anstimme. Nachts, als der Fortpflanz Ausdruckstanz in den Hier-steppt-der-Bär-im-Kettenhemd-Schuppen betreibt, schluchze ich E in den Hörer: "Sie will weg. Drama, großes Drama!" - "Es wird nicht zum Aushalten sein", antwortete sie knochentrocken, "so ganz ohne die Verwüstungen, die sie mit ihrem Schnuffilein um vier Uhr morgens nach einer Palatschinken-Orgie in deiner Küche hinterlässt. Was wirst du ohne all die Kleiderberge machen, aus denen du irgendwann deinen mit Brandlöchern neu gestalteten Malo-Pullover gräbst? Und wie sollst du es nur irgendwie verkraften, dass dein Wohnzimmer sich nicht länger in Geiselhaft von apathischen Chillern befindet, die auch spätabends die Dynamik von Nacktschnecken in der Mittagssonne besitzen, aber noch immer Kraft genug haben, um dich in deinen vier Wänden wie eine äußerst entbehrliche Naturkatastrophe zu behandeln." Sie hatte so recht. Nach diesem Sentimentalitäten-Exorzismus schmiedete ich Umbaupläne, die ich schon beim nachmittäglichen Frühstück mit dem Kind teilen wollte. "Chill dein Leben, Mutter", sagte es, "mein Zimmer rührst du genau nicht an. Und wann ich dann wirklich ausziehe, wirst du nicht entscheiden ..." Ich gab mir innerlich fünf.
polly.adler(at)kurier.at
Polly Adlers neuer Roman "Wer jung bleiben will, muss früh damit anfangen"…
Der erste Polly-Adler-Roman "Venus im Koma"
Kommentare