Raus aus der Raunzerei!
Meine Freundin E sieht auch in Caritas-Couture aus wie eine Göttin.
Oh Leben, oh Jammertal! Raunzen ist der neue Kampfsport der Generation „Die fetten Jahre sind vorbei“. Wohin das Auge blickt, hängen an den Tresen der Stadt Opfer im Dauer-Lamento. Ständig wird geächzt und gestöhnt, wie sehr man sich nicht vom Fleck bewegt und überhaupt zu kurz kommt. Wie knallhart die Krise zuschlägt. Wie einem die Steuer, die SVA und die Ungerechtigkeit des Schicksals das Wasser abgräbt. Klar doch: Auch meine Kaufkraft leidet seit geraumer Zeit an einem schier unüberwindlichen Schwächeanfall, was mich auch ziemlich wütend macht.
In einem Alter, von dem ich mir eigentlich erträumt hätte, mich in heiterer Ruhelage auf meinen Lorbeeren zu befinden, renne ich um die Marie wie ein Frühlingshühnchen. Das Kind, das sich beharrlich weigert, erwachsen zu werden, will sich partout nicht von der Überzeugung abbringen lassen, dass das Geld aus der Wand, der Strom aus der Steckdose und das Essen aus dem Kühlschrank kommt. Rein finanziell betrachtet ist also null happy end in Sicht. Doch ich habe beschlossen, aus meiner pekuniären Impotenz einen Kult zu machen.
Geht eigentlich ganz leicht: Schmeißt die Thunfischsteaks an Wasabipüree über Bord, esst ehrliche Fleischlaberln, dreht euch eure Zigaretten selbst, gründet einen Buchclub, entdeckt die saure Schönheit von Schankperlen und findet bei Humana großartige Vintage-Fetzen. Irgendwann wird aus denen auch der Naftalin-Geruch verfliegen. Meine Freundin E sieht auch in Caritas-Couture aus wie eine Göttin. Wenig Geld zu haben, verdirbt den Charakter nicht, es legt ihn nur offen. Und das heißeste Kapital ist noch immer gute Laune. Frischzellenkur Flexibilität. Der wahre Energieräuber ist der Stillstand. Man sieht zwar nicht mehr aus wie eine Studentin, aber man fühlt sich wenigstens so.
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