Patienten im Kommen
Als ich an dieser Stelle unlängst unterhaltsmüden Vatis den Marsch geblasen hatte, kamen paradoxerweise mehrere Abmahnungen von Leserinnen. Man könne das alles nicht so einseitig sehen, es gäbe auch Furien von Frauen, die den Vätern aus purer Machtgier und Rachelust den Zugang zu den Kindern verbarrikadieren und sie dazu noch abzocken wollen, dass es einem die Schamesröte für das eigene Geschlecht aufsteigen lässt. Diese Damen haben recht, aber auch ich lag nicht verkehrt und irgendwie haben alle ein bisschen recht. Die Farbkarte des Lebens ist eben bunter als das Vorstellungsvermögen der enthemmtesten Soap-Opera-Autoren mit alkoholbedingter Paranoia-Problematik. Ich kenne brave Ehemänner, die Zweitfamilien mit dem philippinischen Kindermädchen der Erst-Kinder gegründet haben – leider nicht in Asien, sondern zwei Häuser weiter in Wien 19. Es gibt Männer, für die die jährliche Wiederkehr des Geburtstags ihrer Kinder immer eine Riesenüberraschung ist. Ich habe von Großmüttern gehört, die sich im Alter von 72 eine Motorradlederjacke kauften und alterslesbisch wurden. Aber auch von Müttern, die sich das "love interest" ihrer eigenen Tochter krallten und damit nach Ibiza durchbrannten. "Man erkennt irgendwann, dass es gar keine normalen Leute gibt", schreibt Herr Grünberg, einer der Lieblingsdichter, "nur Patienten." Bei all den Beispielen handelt es sich aber vor allem um Menschen, die ganz nebenbei entweder Männer oder Frauen sind. Deswegen sollten wir uns bei dem gesamten Geschlechterdiskurs von dieser buchhalterischen "Die Männer oder die Frauen ticken so"-Ideologie verabschieden. Und ja, es gibt Männer, die ihre Alimente gerne und pünktlich überweisen. Und zwei Mal ja! – ich möchte so gerne noch so viele mehr von ihnen persönlich kennen lernen.
polly.adler(at)kurier.at
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