In jeder Tragödie schlummert eine Komödie
Auf meinem Sterbebett wird dieser Moment noch immer die Peinlichkeiten-Parade meines Lebens anführen.
Unlängst spielte ich mit meinem Tischnachbarn nach einer Diskussion das Spiel „Der demütigendste Moment in Ihrem Leben?“ Ich erzählte ihm von einer Lesung, die mein Verlag in der Shopping City Süd vereinbart hatte. Es gab genau einen Gast, der auch der Moderator der Veranstaltung war. Gleich einem verzweifelten Liliom versuchte der Mann des Deutschen unmächtige Einkaufspassanten, die eigentlich auf Turnschuhjagd in unsere Heimat gekommen waren, in die Koje zu treiben. Nicht genug, dass die mich mit Blicken bedachten, die man üblicherweise nicht mehr vermittelbaren Zoo-Restposten zukommen ließ. Der Moderator setzte noch eins drauf, indem er in einen Ghettoblaster eine Kassette einlegte, die die Leere des Ambientes mit tosendem Applaus umspülte. Auf meinem Sterbebett wird dieser Moment noch immer die Peinlichkeiten-Parade meines Lebens als strahlender Sieger anführen, knapp gefolgt vor meinem Felgeaufschwungversagen vor einer Kommission. Mein Tischnachbar konnte die SCS-Geschichte sogar noch toppen. Er war nach Belgrad eingeladen worden, um dort einen historischen Vortrag über die Leidensgeschichte der jüdischen Bevölkerung zu halten. Er referierte vor einer einzigen Frau, die bereits im ersten Drittel laut entschlummerte. Dass er seine „One-Woman-Show“ dennoch fortsetzte, hing damit zusammen, dass das Honorar bereits überwiesen worden war, und er von Beginn an wusste, dass der Zwischenfall „erstrangiges Anekdoten-Material“ präsentierte. „Think a little jewish“, sagte er zu seiner Tisch-Goi „in jeder Tragödie schlummert eine Komödie ... man muss nur ein bisserle Zeit vergehen lassen.“ Jetzt begriff ich, warum es „Tränen lachen“ heißt und beschloss, mich auf meinem zweiten Bildungsweg ganz auf das Fach „Jewish by heart“ zu konzentrieren.
polly.adler[at]kurier.at
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