Ich bin dada, Lady Gaga
Genug mit dem sentimentalem Affentheater. Das Kind ist flügge. Ab Herbst driften wir vom Status einer dysfunktionalen Halbkernfamilie in eine WG von psychosozialer Schieflage: Denn dort benimmt sich das Kind, der Verdacht reift zur Gewissheit, wie Griechenland: Forderungen und Feinstaubförderung, bis der Arzt kommt, und kein Happy End in Sicht. Ich habe dennoch beschlossen, das alles nicht persönlich zu nehmen, sondern mich in Zukunft wie Sisi auf Korfu zu fühlen: frei von den Fesseln der Verpflichtung. Viel Pech, Baby, dann ist der Kühlschrank nun einmal so geräumig wie das Köpfchen von Herrn Petzner, und deine Wäsche, tut so leid Schatz, interessiert mich so sehr wie ein Panflöten-Problem in Lima: nämlich nada. Denn die letzten 18 Jahre meines Lebens war mein Aktionsradius auf Grund der Brutpflege erschütternd eingeschränkt. Aber jetzt könnte ich mich auf längere Zeit vertschüssen, um ein neues Leben als Motorrad-Lesbe in Australien zu beginnen, das Paarungsverhalten der Kolibris in Obertexas zu erkunden oder es auf Malle zur Meisterschaft in „expressive erotic pottery“ zu bringen. Und zwar ohne mir dabei auszumalen, dass das Kind an arabische Harems-Händler verschachert wird. Ein großes Hurra für Muttis neue Autonomie. „Du denkst ja nur mehr an dich“, mauzt der Fortpflanz angesichts dieser neuen emotionalen Sachlichkeit, „null Sinn für gemeinsame Mahlzeiten, jeden Abend unterwegs. Wohin soll das führen?“ – „In die verdammt richtige Richtung, carissima, ich hatte mit 32 keine Zeit, ein Leben wie eine 32-Jährige zu führen. Aber jetzt kann ich dieses Versäumnis nachholen.“ Während das Kind mit seinem Lebensabschnitts-Schatz einen gemütlichen Heimabend verbrachte, schnalzte ich den Altersschnitt beim Lady-Gaga-Konzert ins Unermessliche.
polly.adler(at)kurier.at
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