Hedonistische Meditationen
„Ich koche heute!“, smste ich in das iPhone-Nirwana, „wer kommt, ist da.“ Zögerlich kamen die Rückmeldungen der „CVON“ (Clique verhaltensorigineller Neurotiker). „Geht’s dir nicht gut?“, „Gibt es einen Anlass?“ oder „Brauchst du Hilfe?“ Nein, es ging mir nicht gut. In meinem Herzen war ein großes, schwarzes Trauerloch. Der Anlass war mit einer Textzeile aus einem „Wir sind Helden“-Lied schnell erklärt: „Guten Tag, ich will mein Leben zurück.“ Und ja, ich brauchte Hilfe in Form von ein paar Verrückten, die sich um dampfende Teller zusammenrotteten, soffen, Regression im Dienste des Ichs betrieben, also an der Schmerzgrenze kindisch waren, und auf den Damast kleckerten. Ich sollte sie auch bekommen, tutti completti. Davor düste ich mit Blaulicht auf den Markt und ließ mir kleinkindgroße Fische, Kräuterbüsche, Würste, Muschelnetze und Nusskuchen einpacken. Den ganzen Tag hackte, brutzelte und schmorte ich. Es war eine Art hedonistische Meditation, ein Mega-Aspirin in Festmahl-Form. Am Abend war ich noch immer kein glücklicher Mensch, aber das schwarze Loch war kleiner geworden. „Mutterin, du kannst ruhig öfter traurig sein“, grinste der Fortpflanz. „Es blüht die Wurst nur kurze Zeit, aber Freundschaft blüht in Ewigkeit!“ seufzte ich. Über den lausigen Reim müssen Sie sich bei Wilhelm Busch beschweren. Da draußen war die Welt noch immer streng und mühsam – in Form eines Saturns im Quadrat, Konzernen, die „Anpassungsmaßnahmen“ (das p.c.-Wort für Massenkündigungen) setzen mussten, Exekutionsbeamte, die mir ein Strafmandat aus der Steinzeit aus dem Leib schneiden wollen und weiß der Geier, was der Bauchladen der Widrigkeiten noch auf Lager hatte. Aber hier drinnen war alles gut, alles Bullerbü. Zumindest bis morgen früh. Und das muss manchmal genügen.
Hinweis: Polly Adler liest diesen Samstag um 9 Uhr 30 bei „Rund um die Burg”.
polly.adler(at)kurier.at
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