Fiese Jungs

Der große Zeiger deutete schon sehr in Richtung Morgen, als man aus der Schenke des Vertrauens, dem Anzengruber, nach Hause stöckelte. Der Abend war unter die Rubrik Unfug der Güteklasse eins gefallen, denn man hatte mit zwei verhaltensoriginellen Buben über Stunden nahezu durchgelacht.

Doch dann daheim die totale Schockstarre! Bei einem letzten Blick auf das Handy bemerkte ich einen florierenden SMS-Eingang zu dieser absurden Zeit. Und zwar von honorigen Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und dem Showgeschäft. Ein kirchlicher Würdenträger ließ mich um 3 Uhr 45 wissen, dass auch für verirrte Schäfchen die Hoffnung zuletzt stirbt.

Mein Chef fragte mich, ob ich irgendwo ang’rennt wäre. Und ein Burgmime gratulierte mir dazu, dass ich meine Sexualität neu entdeckt habe, ihm das aber eigentlich und vor allem um die Uhrzeit mehr als wurscht ist. Während ich versuchte, der Königin des Anzengruber das Geheimnis ihres Gulaschs zu entlocken, hatten die fiesen Jungs mein iPhone geknackt. Und Botschaften verschickt, die mir noch immer die Schamesröte ins Gesicht peitschen. "Der Teufel hat ein Riesending" an den Vertreter des Klerus fiel da noch unter ziemlich harmlos.

Fremdschämen war gestern, jetzt blieb nur noch die Flucht ins Exil oder der Sturz in die Erdspalte. Den Vormittag verbrachte ich mit einer telefonischen Entschuldigungs-Tournee, das Kind fächerte mir dabei frische Luft zu und seufzte nur: "Tastensperre, hallo! Und Mama: Reloade dein soziales Umfeld! Ich war ja auch einmal jung, aber so jung war ich nicht einmal mehr mit 14!"

polly.adler(at)kurier.at

www.pollyadler.at

Polly Adler liest aus ihrem neuen Roman "Wer jung bleiben will, muss früh damit anfangen"…

Der erste Polly-Adler-Roman "Venus im Koma"