Erbrochenes Weiß oder couragiertes Schlamm?

Polly Adler

Polly Adler

Eltern können einen ganz schön fertig machen. Auch wenn man schon groß ist.

von Polly Adler

über schlimme Geständnisse

Eine französische Patientin, hingegossen auf mein Sofa; ihr Körper bebte in kleinen Schluchz­explosionen. Ich tappte im Nebel. Endlich war meine Gästin zu ganzen Sätzen fähig. „Was ist das schlimmste Geständnis, das dir ein Vater machen kann?“, wimmerte sie. Da fiel mir einiges ein: „Dass er sich auf dem zweiten Bildungsweg zum Serienkiller entschlossen hat. Oder Mitglied einer rechtsextremen Partei ist. Oder den Schein für seinen Lotto-Sechser auf Nimmerwiedersehen verlegt hat.“ – „Alles Kinderkram!“, heulte sie. Und dann rückte sie mit ihrer privaten Welttragödie raus.

Vor einigen Monaten hatte ihr der Vater, ein korpulenter Installateur im Pariser Banlieue, eröffnet, dass er sich demnächst zur Frau umoperieren lassen wollte. In solchen Fällen muss man dann immer ein wohlwollendes „Hauptsache, du bist glücklich“ ablassen, selbst wenn man sich dabei eine Gaumenzäpfchenprellung holt, aber aus der Sicht einer Tochter war es natürlich nicht ganz so einfach, politisch korrekt und sperrangelweitoffen liberal zu sein. „Und?“ – „Nicht nur, dass mein Vater, der inzwischen wie ein misslungenes genetisches Experiment aussieht, sich von mir Epilierungstipps und eine Farbberatung holen will, nein, er will auch noch heiraten!“ – „Fantastisch, dass man als solches Nischenprodukt in der sexuellen Marktwirtschaft auch noch einen Mann findet!“ – „Er ist nicht nur transsexuell, sondern steht auch auf Frauen – der Bräutigam ist eine pensionierte Lehrerin ...“- „Welche Farbe trägt man bei solchen Gelegenheiten?“ – „Ich plädiere für erbrochenes Weiß oder ein couragiertes Schlamm. Und danke den höheren Mächten, dass meine Mutter diesen Irrsinn nicht mehr erleben muss.“ – „Vielleicht wäre sie ja aus Liebe alterslesbisch geworden ...“ Komischerweise fand sie das null komisch.

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