Emotionale Inkontinenz: Befriedigend
Im Unterrichtsgegenstand "Emotionale Inkontinenz" habe ich letzte Woche sogar ein "Befriedigend" abgarniert. Man hat die Maturafeierlichkeiten des Fortpflanz überlebt, ohne von seinem Kind mit einem Triple-C-Rating "Megavollsuperpeinlich" abgestuft zu werden. Das mag aber auch darin liegen, dass die ganze Mischpoche die Lebensabschnittsbeschließerin wie die EU Griechenland behandelt hat. Finanzielle Rettungsschirme Sonderzahl, Merkelsche Vernunftsauflagen wie "Nicht alles gleich ausgeben" und andere Spaßbremsereien haben wir uns aber wegen größtmöglicher Sinnlosigkeit erspart. Dank unserer lieben Tante D, im Nebenberuf Partyprofi, die klirrekalten Champagner in einer Tiefkühltasche zu dem Festakt mitgeschleppt hatte, kam es dann doch noch zu bewegenden Szenen im Pausenhof der Schnöselschmiede. Dort wurde dann mit Hilfe von Pappbechern eine Art Mutter-Lounge eröffnet. Während die Fortpflänze noch einmal oben im Festsaal ihre letzten Reste von Höflichkeit und Respekt mobilisierten, hingen da unten rechtschaffen erschöpfte Brutpflegerinnen in den Seilen und prosteten sich zu. "Ab jetzt ist Rügen für uns eine Insel in der Ostsee!", freute sich die eine. Denn wenn die Fortpflänze es in unserer Anstalt zu mehr als zwei "Rügen" im Betragen-Verzeichnis gebracht haben, schwebte das Fallbeil des Rausschmisses über ihnen. "Eine Frühwarnung kriege ich ab sofort nur mehr von meiner Wetter-App bei Hagelgefahr!", freute sich die andere. Irgendwann trudelte das erstaunlich melancholisch gestimmte Kind ein und flüsterte: "Mama, ich bin eigentlich noch nicht soweit." – "Soweit wofür?" – "Fürs Erwachsenwerden." Da konnte ich ihr ehrlichen Trost zusprechen: "Musst du ja noch gar nicht. Das kannst du noch Jahrzehnte hinauszögern. Schau dir nur deinen Papa an!"
polly.adler(at)kurier.at
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