Eisfutterale

Ernst Molden

Ernst Molden

Jedes Detail des Waldes war von dickem Eis bedeckt.

von Ernst Molden

über eine Wienerwaldwanderung

Und dann hätte ich noch diese Geschichte aus dem vergehenden Zwölferjahr, aus der Zeit „zwischen den Jahren“, wo immer irgendwas anfällt, das nachzureichen bleibt. Am ersten Weihnachtsfeiertag brachen die Liebste, der Schwager, die Brut und ich zu einer Wienerwaldwanderung auf, nach deren Abschluss wir uns dem Weihnachtsfondue stellen wollten. Ein wenig fürchteten wir, es könnte regnen, aber ohne Wanderung hätten wir das Fondue niemals besiegt, also los. Wir parkten ober Neuwaldegg an der Höhenstraße und betraten den Schwarzenbergpark, von wo aus wir das Hameau erklimmen wollten. Allein, aus dem Park kamen uns zehn Feuerwehrleute entgegen. Auf meine Frage nach dem Warum erklärten sie, ein Baum sei abgebrochen, und es werden noch sehr viele andere Bäume abbrechen, und wir sollten ein bisserl aufpassen im Gehölz. Mit einem leichten Thrill im Bauch gingen wir los, und während wir am Forsthaus vorbei in dichter bewaldete Gebiete vordrangen, verstanden wir, was los war. Es regnete nicht, aber es nebelte und gleichzeitig fror es. Das führte dazu, dass der Nebel an allem, was in ihn hineinragte, Eisfutterale ausbildete. Jedes Detail des Waldes, Stamm, Ast, Zweig, Stengel und Halm, waren von dickem Eis bedeckt. Das war von unglaublicher Schönheit. Aber solches Eis wiegt tonnenschwer, wie wir später recherchierten. Nun bemerkten wir bloß, dass auf einmal hier ein Ast, dort ein ganzer Baum, erst rieselnd, dann knackend, schließlich krachend zu Fall kam. Zum vielleicht letzten winzigen Zwölferjahres-Zwist zwischen der Liebsten und mir kam es, als ich für das letzte Stück des Aufstieges den Waldweg empfahl, weil ich annahm, dass stürzende Äste durch Gehölz abgefangen würden. Die Liebste war für die Forststraße, weil sie annahm, dass man dem Fallholz dort schneller davonlaufen konnte. Wir gingen den Waldweg hinauf, die Forststraße hinunter, wir überlebten. Zuhaus hörten wir in den Nachrichten, dass die Gebiete, die wir durchwandert hatten, gesperrt würden, wegen Lebensgefahr. Ich wünsche dennoch jedem Leser und jeder Leserin, dass er oder sie das einmal sieht, denn es ist so unglaublich schön.

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