Der Croissant-Orgasmus

Wir haben den Index der Perversionen um eine neue Facette bereichert: den Croissant-Orgasmus. Wenn ich meinen Besuchern die Butterbomber von Rodolph Landemain aus der Rue des Martyrs auf den Frühstückstisch knalle, geben sie nach dem ersten Biss Geräusche von sich, die selbst Serge Gainsbourg die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten.

„Auf meinen Hüften wird sich lange nichts mehr so Grandioses breit machen“, stöhnte E, „das ist Sex mit Kalorien“. Es ist aber nicht so, dass wir hier nur völlern. Dazwischen trinken wir auch. Oder bewundern die Pariser, die selbst bei dichtem Schneeregen vor den Cafés unter den Heizlampen sitzen, um in aller Gelassenheit ihrem Faible für Nikotinkonsum in sehr kurzen Intervallen nachzukommen. Wir lassen uns die Zeit durch die Finger rinnen. So viel Zeit muss sein, denn das ist der größte Luxus. Natürlich wird man nach all den hedonistischen Exzessen wieder zu Hause im Gemüsebrühen-Bootcamp einchecken müssen, aber das fällt jetzt nicht ins Gewicht. Denn „Es ist immer jetzt“, um Michael Heltau zu zitieren.

Auf einem Nebentisch in einer Brasserie streitet sich ein Paar auf das Heftigste. Sie springt auf, fetzt ihm die Serviette um die Ohren und brüllt so laut, dass die Kellner im Spalier applaudieren: „Va te faire cuire un oeuf!“ Wie ich später herausfand, kam diese harsche Aufforderung an den Mann, sich doch ein Ei zu kochen, dem höchstmöglichen Grad der Verachtung gleich. Denn diese Phrase hat die gleiche Bedeutung wie unser „Rutsch mir doch den Buckel runter“.

In der „grande nation“ des Kaloriensex scheint also der Verzehr eines einfachen Eis zu den härtesten Strafen zu gehören, zu denen man einen widerborstigen Lebensabschnittspartner verdonnern kann. Mein ansonsten tadelfreies Verhältnis zu Eiern ist seit diesem Zeitpunkt empfindlich gestört

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