chaos DE LUXE: So fetzendeppert wie wir
"Und so sieht der Blick von ihrem Wohnzimmer aus ..." Gehorsam betrachtete ich einen kleinen, struppigen Vorgarten auf dem Handy. "Und hier, hier sind wir beim Badminton. Sie spielt nämlich so gerne, meine Zauberfee. Schau, wie gut ihr das weiße Spielhöschen steht." Ich simulierte weiter artig Ergriffenheit. "Und was ist eigentlich ihre Lieblingsspeise? Ihr Aszendent? Das Buch, das sie sich auf die Insel mitnehmen will? Mit wem würde sie gerne keinen Abend verbringen? Ist sie eher ein Fruchteistyp und wenn ja, welche Sorten?" Dankbarkeit in Stereo strömte mir jetzt aus Ms Kulleraugen entgegen. Der zarte Anflug von Ironie in meinem Fragen-Feuerwerk war im hormonellen Nirwana verpufft. Die Zauberfee und du, stotterte er, ihr müsst euch unbedingt schnell kennenlernen. Denn nur wenn ich ihre Augen auch live sehen könnte, hätte ich eine leise Ahnung von dieser Magie, dieser Aura, diesem Charisma! Ich winkte Stendhal und seinem Satz "Der Verliebte hat keine Zeit, geistreich zu sein!" Stendhal verdrehte nur die Augen. Doch plötzlich wurde ich diesem so eintönigen Abend dann doch noch dankbar. Er hatte mir nämlich eine famose Erkenntnis beschert: Männer sind fetzendeppert. Nämlich genauso fetzendeppert, lachhaft und eine einzige Zumutung für die Außenwelt wie wir, wenn es uns erwischt hat. Es war ein Irrtum zu glauben, dass sie diese Zustände viel besser im Griff hätten und uns somit haushoch im Nahkampf überlegen wären. Das machte mich froh und nahezu unerträglich tolerant. "Kann ich noch einmal ein Foto von ihr sehen?" – "Natürlich. Wahnsinnig gerne." – "Was für eine Schönheit! Und diese vielen putzigen Lachgrübchen in diesem Super-G’sichterl!" Das Antlitz der bedauernswerten Person war dicht mit Aknekratern übersät. Aber mit so viel Realität wollte ich M jetzt nicht von der Spur bringen.
polly.adler(at)kurier.at
Kürzlich erschienen: der erste Polly-Adler-Roman "Venus im Koma"
Kommentare